Die Mutmacher
Die Eintracht verliert gegen den Tabellenführer, rutscht auf einen Abstiegsplatz, fühlt sich aber trotzdem als moralischer Sieger. Frankfurt - Stuttgart 0:2 (0:1).
VON INGO DURSTEWITZ
Frankfurt a. M. · 9. November · Nach 90 und ein paar zerquetschten Minuten Bundesligafußball hat Uwe Bindewald, der windschnittige Nimmersatt auf der rechten Flanke von Eintracht Frankfurt, die Zähne gebleckt, den Kopf in den Nacken gelegt und die Brust rausgestreckt. Verlierer sehen normalerweise anders aus: hängende Schultern, hängende Köpfe, gesenkter Blick, man kennt das. Bindewalds Körpersprache aber will sagen: Hey, wir sind vielleicht geschlagen, aber bestimmt nicht gebrochen. Die stolze Haltung korrespondiert mit dem gesprochenen Wort des 35 Jahre alten Dauerbrenners: "Wir gehen erhobenen Hauptes vom Platz, heute können wir in den Spiegel schauen."
Respektable Leistung
0:2 haben die minderbemittelten Hessen gegen den filigranen schwäbischen Primus aller Klassen verloren, aber wer in der verbalen Nachlese genau gelauscht hat, hat heraushören können, dass Eintracht Frankfurt mindestens drei (imaginäre) Punkte gewonnen hat: einen für die Moral, einen für den Glauben, einen für den Trainer. Ausbeute für das (reale) Punktekonto: null, dummerweise. Und, ja, der gebeutelte Aufsteiger hat nach einer turbulenten Woche eine Leistung auf den Rasen gebracht, auf der er zaghaft aufbauen kann.
Die Eintracht , bereits nach acht Minuten durch eine an Dilettantismus kaum zu überbietende Co-Produktion des Herzstücks der albanischen Nationalmannschaft (Ervin Skela mit stümperhaftem Ballverlust, Geri Cipi mit hanebüchenem Abwehrverhalten) im Hintertreffen (Tor: Imre Szabics), warf gegen den abgebrühten Tabellenführer alle Tugenden in den Ring, die sie zuletzt so schmerzhaft hat vermissen lassen: Aggressivität, Leidenschaft, Willenskraft. Mit Verve haben die Frankfurter den Stuttgarter Kasten berannt, sie sind kilometerweit gelaufen, brachial in die Zweikämpfe geflogen, haben die Überflieger aus Cannstadt in die eigene Hälfte geschnürt und nur selten aus selbiger entkommen lassen. 17 Torschüsse weist die Statistik aus (so viele wie nie zuvor), 53 Prozent Ballkontakt, 51 Prozent gewonnene Zweikämpfe; keine überragenden Werte, doch gegen den Spitzenreiter sicherlich respektable. "Das war unsere beste Saisonleistung", sagte der als einzige Spitze aufgebotene Markus Beierle.
Auch VfB-Trainer Felix Magath war nach dem Abpfiff heilfroh, drei Zähler gehamstert zu haben. "Ich hatte immer Angst, dass wir ein Gegentor bekommen", sagte der harte Zarte mit der brüchigen Stimme - und es sei an dieser Stelle mal angenommen, dass Magath seinem alten Kumpel aus seligen HSV-Tagen, Willi Reimann, nicht zur Seite springen und verbale Aufbauarbeit in Sachen Eintracht Frankfurt leisten wollte. "Es muss halt auch mal einer reinrutschen", klagte Pendant Reimann.
Und wer weiß, wie das maue Bundesligaspiel ausgegangen wäre, hätte Schiedsrichter Uwe Kemmling der Eintracht in der 53. Minute nicht den fälligen Strafstoß verwehrt, als Beierle nach einem Uwe Bein-Gedächtnis-Pass von Markus Kreuz VfB-Keeper Timo Hildebrand umkurvt hatte, bevor ihm dieser an den Knöchel packte und ins Straucheln brachte, woraufhin Beierle recht ungelenk zu Boden sank. Hinterher räumte Hildebrand freimütig ein, den Eintracht-Offensiven berührt zu haben, überraschte aber mit dem Nachsatz: "Ich weiß aber nicht, warum er umgefallen ist."
Elfmeter hin oder her, irgendwie hatte man immer das Gefühl, dass der VfB, wäre es wirklich eng geworden, in der Lage gewesen wäre, ein, zwei Schippen draufzupacken. "Die schwimmen auf einer Erfolgswelle", sagte Beierle, "bei denen ist jeder Schuss ein Treffer." Das kann man so sehen, Kevin Kuranyi schloss einen Konter zum 2:0 ab (69.) und ließ Haudegen Bindewald raunen: "Die bestrafen jeden Fehler gnadenlos."
Kapitän Alexander Schur, der unter der Woche in der FR moniert hatte, die Eintracht sei kein Team, habe nur Einzelkämpfer auf dem Platz, resümierte: "Die Mannschaft lebt." Im Training, verriet Schur jetzt, haben die Spieler hart am Teamgeist gearbeitet. "Wir haben die Einheit herbeigeredet, und wir haben sie auf den Platz gebracht." So ähnlich sah es auch Torwart Oka Nikolov, der nach dem Spiel in Bremen, wo die Eintracht der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, ein flammendes Plädoyer für Offensivfußball hielt. "Die Art und Weise, wie wir heute gespielt haben, lässt hoffen."
Klassenbuch
Gut dabei
Alexander Schur: Zweikampfstark wie immer. Redete viel und dirigierte seine Mannschaft. Reimann will ihn als Leithammel - bitte schön.
Uwe Bindewald: Sammelte eifrig Fleißpunkte. Mit druckvollem Spiel über den Flügel immer ein Unruhestifter.
Andreas Möller: Starker Auftritt als verkappter Rechtsaußen. Eine Stunde lang immer anspielbar, dann durfte er nicht mehr.
Ganz okay
Oka Nikolov: Schuldlos beim ersten Gegentreffer, Glanzparade gegen Kuranyi. Machte beim 0:2 aber keine gute Figur.
Markus Kreuz: Wer viel arbeitet, macht auch viele Fehler. Sein Traumpass auf Beierle war allein das Eintrittsgeld wert.
Markus Beierle: Agil im Sturmzentrum, stets bemüht, hielt die Bälle. Im entscheidenen Augenblick, nach 53 Minuten, aber zu torfixiert.
Jean-Clotaire Tsoumou-Madza: Solide in der Innenverteidigung. Konnte Kuranyi aber nicht völlig ausschalten.
So là là
André Wiedener: Besser als zuletzt. Trotzdem zu viele Stockfehler im und am eigenen Strafraum.
Christoph Preuß: Viele Ballkontakte, viele Ballverluste. Tauchte unter.
Du-Ri Cha: Auf engem Raum hoffnungslos überfordert. Setzte nach seiner Einwechslung keinerlei Impulse.
Nico Frommer: Kam für Beierle, war aber nie ein wirklicher Ersatz. Keine Chance.
Schwächelnd
Geri Cipi: Totalausfall. Erst der grobe Schnitzer vor dem 0:1, dann der Fußtritt gegen Meißner. Die folgende Sperre schadet nicht!
Ervin Skela: Durfte 90 Minuten durchspielen. Warum nur? Eines der schlechteren Spiele im Trikot der Eintracht.
Stefan Lexa: Der Joker sollte das Flügelspiel beleben, was ihm aber nie gelang: Schlechte Flanken, zu viele Fehlpässe.
C-Gam
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@CereMONIYa tyebya lyublyu