"Das ist unterirdisch"
Heute Abend tritt der Aufsichtsrat von Eintracht Frankfurt am Flughafen zusammen, um vor allem über den zukünftigen Manager zu beraten. Vier Kandidaten sind im Rennen. Einer davon ist Jan-Aage Fjörtoft.
VON INGO DURSTEWITZ
Frankfurt a. M. · 10. November · Hier eine Liste mit Anwärtern auf den Manager-Posten bei Eintracht Frankfurt seit Anthony Woodcock am 1. Juni 2002 wenig ehrenvoll aus dem Amt entlassen worden ist (Liste in alphabetischer Reihenfolge, ohne Anspruch auf Vollständigkeit): Thomas Berthold, Stephan Beutel, Heribert Bruchhagen, Manfred Burgsmüller, Edgar Geenen, Franz Gerber, Holger Hieronymus, Wolfgang Holzhäuser, Bernd Hölzenbein, Olaf Janßen, Karl-Heinz Körbel, Rolf Rüssmann, Uli Stein, Stefan Ziffzer. Ach ja, und seit Samstag: Jan-Aage Fjörtoft. Die Manager-Frage hat in den vergangenen anderthalb Jahren schon zu mehr als einem Machtkampf geführt, einige Male schon ist eine "zeitnahe Entscheidung" (Lieblingsformulierung in Presseerklärungen) angekündigt und wieder verschoben worden. Jetzt soll das (vorerst) letzte Kapitel der unendlichen Geschichte geschrieben werden.
Wirtschaftliche Kompetenz gefragt
Heute Abend wird die beauftragte Kommission (die Vorstände Heiko Beeck und Thomas Pröckl sowie Aufsichtsratschef Herbert Becker und Vereinspräsident Peter Fischer) dem Kontrollgremium vier Kandidaten vorschlagen, von denen einer der seit seinem Übersteiger-Tor in Frankfurt als volksnaher Fußball-Held verehrte Fjörtoft ist, der sich via Boulevard-Zeitung selbst angeboten hat. Mit einer Entscheidung ist heute aller Voraussicht nach nicht zu rechnen, vermutlich wird sich das Gremium - das aus Herbert Becker, Peter Fischer, Franz Josef Jung, Achim Vandreike, Bernd Ehinger, Steven Jedlicki, Hans-Dieter Burkert und Axel Hellmann besteht - in den nächsten zwei Wochen auf einen der Anwärter festlegen.
Die Eintracht, sagt Präsident Fischer, suche vor allem einen Manager mit "wirtschaftlichem Fachwissen", was gegen Fjörtoft spricht. Fischer, der dem 36 Jahre alten Norweger eine enorme "emotionale Kompetenz" bescheinigt und ihn auch als Türöffner bei Sponsoren ansieht, fragt in Richtung des Sympathieträgers: "Wer macht dann die tägliche Arbeit? Wir leben in einer Manager- und nicht in einer Entertainment-Gesellschaft."
Zunächst wird allerdings Willi Reimann dem Aufsichtsrat Bericht erstatten. Der Trainer des Bundesligisten wird eine Bilanz ziehen, einen Ausblick geben und überdies eine Liste mit potenziellen Neuerwerbungen in der Winterpause vorlegen (Stürmer mit Bundesligaerfahrung), wobei noch nicht entschieden ist, ob die Eintracht überhaupt auf dem Transfermarkt zuschlagen kann. Über den Trainerposten wird im Aufsichtsrat nicht gesprochen, weil Reimann den Vorstand (Beeck und Pröckl) sowie die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder noch auf seiner Seite weiß.
Der Fußballlehrer, 53, nimmt die Diskussion um seine Person äußerlich gelassen: "Selbst Ottmar Hitzfeld wurde in München in Frage gestellt. Das ist für mich eine normale Sache", sagte er dem Internetanbieter Sport 1. Die Personalie Fjörtoft kommentiert der Coach süffisant: "Vielleicht heißt es bald, der Zeugwart Franco Lionti steht für den Managerposten bereit. Wir begeben uns auf ein Niveau, das ist unterirdisch." Reimann, der mit seiner Mannschaft am Freitag zu einem Freundschaftsspiel bei Arminia Bielefeld (19.30 Uhr) antreten wird, prangerte wieder einmal die Erwartungshaltung in Frankfurt an: "Die aktuelle Situation liegt von dem, was einige glauben, so weit auseinander wie Erde und Mond."
Unterdessen hat das DFB-Sportgericht Abwehrchef Geri Cipi wegen seines Trittes in den Rücken von Silvio Meißner für drei Spiele wegen Tätlichkeit gesperrt. Die Pause tut dem Albaner vielleicht ganz gut: Cipi hat in den vergangenen drei Spielen mit kapitalen Schnitzern Gegentore verschuldet und sich nach dem Spiel gegen Stuttgart (0:2) den Zorn von Trainer Reimann zugezogen.
Albaniens Nationaltrainer Hans-Peter Briegel ist das egal. Er berief Cipi - wie seine Mannschaftskollegen bei der Eintracht, Ervin Skela und Mehmet Dragusha - für das Freundschaftsspiel Albaniens gegen Estland am 15. November in Tirana. Auch Christoph Preuß geht auf Reisen. U 21-Trainer Uli Stielike hat den Mittelfeldspieler für das Playoff-Hinspiel in der EM-Qualifikation am Freitag in Leverkusen gegen die Türkei nachnominiert.
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Eintracht Frankfurt erhofft sich 20 Millionen Euro im Jahr
Am Donnerstag liegen Zahlen auf dem Tisch: Die Sportrechteagentur Sportfive wird der Stadt Frankfurt den Geschäftsplan zum Betrieb des neuen Stadions präsentieren. Daran hängt auch die wirtschaftliche Zukunft der Not leidenden Eintracht.
VON FRANK HELLMANN UND WOLFGANG HETTFLEISCH
Frankfurt a. M./ Hamburg · 10. November · Das Geschäftsfeld verspricht Ertrag. "Die Stadt Frankfurt ist einmalig", sagte Thomas Röttgermann der FR, "und ein Verein im Umbau bietet ein großes Feld." Was der 43-jährige Geschäftsführer der Sportrechteagentur Sportfive meint: Die Voraussetzungen sind grundsätzlich günstig. Zwischen Vermarkter, Stadt und Vorstand der Eintracht Frankfurt Fußball AG wird über eine Zusammenarbeit verhandelt.
Fest steht: Sportfive kann sich ein Engagement im Herzen der Rhein-Main-Region gut vorstellen, "der Zug geht in die Metropolen." Der Deal würde den Betrieb des neuen WM-Stadions beinhalten. Mit Erlösen aus der Vermarktung wie Bandenwerbung oder Logenbetrieb würde der Betreiber die Immobilie refinanzieren.
Die Verhandlungen treten in die entscheidende Phase: Am Donnerstag soll bei der Stadt Frankfurt ein Geschäftsplan von Sportfive vorliegen, anschließend erst erhält der finanziell angeschlagene Bundesligist Einsicht. Vorstandssprecher Heiko Beeck: "Dann geht hervor, wie viel Geld der Stadt und Eintracht Frankfurt aus der Vermarktung des Stadions zufließen. Dann werden wir entscheiden, ob das für uns akzeptabel ist." Neugierig sei der Vorstand.
Beeck nennt der FR die aus Eintracht-Sicht erforderlichen Eckdaten: "Wir brauchen minimal 20 Millionen Euro aus der gesamten Vermarktung ohne Fernsehgelder." Zehn Millionen Euro vom TV hinzugerechnet, möchte Beeck den Etat somit auf 30 Millionen Euro erhöhen (derzeit 25). Beeck: "Selbst dann würden wir immer noch an der unteren Grenze der Liga liegen und wären immer noch nicht in der Lage, mit großzügigen Gehältern ein Spitzenteam zu formen." Fest steht: Mit Sportfive stehen Experten bereit, Branchenführer in Sachen Vermarktung, die sich bis weit in die Alltagsarbeit der Clubs verästelt - sofern gewollt. Röttgermann: "Unsere Philosophie ist stets, dass erfolgreiche Vermarktung unmittelbar den Club stark machen muss. Mit einem unterdurchschnittlichen Etat gibt es auf Dauer keinen sportlichen Erfolg und in der Folge auch keinen Vermarktungserfolg."
Die ungewisse sportliche Zukunft der Eintracht, ungeklärte Personalien auf der Führungsebene machen die Verhandlungen nicht eben einfacher. Zudem verlangt Beeck: "Federführend ist die Stadt. Aber am Ende wird es eine Entscheidung pro Sportfive ohne Eintracht Frankfurt nicht geben können. Ohne wirtschaftlichen Bestand des Clubs würde hier eine Bauruine stehen."
Sportfive ist grundsätzlich bereit, Risiken einzugehen, wird aber kaum eine Entscheidung aus Goodwill treffen. Die Muttergesellschaft sitzt in Paris und handelt global mit TV- und Marketingrechten. Weltweit rund 300 Fußballvereine stehen bei der aus dem Zusammenschluss von Ufa Sports, Sport Plus und der Group Jean Claude Darmon hervorgegangenen Sportrechte-Agentur unter Vertrag. Der deutsche Hauptsitz ist in Hamburg, 220 Mitarbeiter, 250 Millionen Euro Umsatz.
Sportfive ist bisher bei den Clubs in Dortmund, Hamburg, Berlin, Bielefeld und Nürnberg beteiligt. "Vermarkten ist ein Handwerk", sagt Röttgermann. "1500 Business-Seats an die Kunden zu bringen, ist zuvorderst eine organisatorische und vertriebstechnische Frage." Wenig hält er von der Alternative, Stadt und Club würden sich in Eigenregie an die Vermarktung machen. "Eine nicht einheitliche Kundenansprache wäre extrem unprofessionell und würde sicher keine optimalen Erlöse einbringen."
Beim Hamburger SV und Hertha BSC haben jeweils zehn Sportfive-Mitarbeiter feste Büros in der Geschäftsstelle, pflegen direkten Draht zu Clubbossen, Mitarbeitern und Kunden. Mit Skepsis wurde einst der zehn Millionen Euro teure Einstieg in Berlin beäugt. Geld, das der Hauptstadt erst den Großangriff in der Bundesliga ermöglichte. Noch heute zahlt die Hertha von jedem Euro bis zu 25 Cent an den Vermarkter zurück.
C-Gam
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