RE:F1 - Grosser Preis von Ungarn

Ferrari-Boss tobte drei Stunden lang

Lange Gesichter bei den Ferrari-Mechanikern

D as Ein-Punkte-Desaster von Ungarn hat die Roten in die wohl größte Krise ihrer Formel-1-Geschichte gestürzt. Dem gestrengen Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo platzte nach der Blamage der Kragen. Drei Stunden lang habe er seine Angestellten nach dem Desaster zusammengefaltet, war in der Sportpresse am Mittwoch zu lesen. „Solche Zwischenfälle wie in Ungarn dürfen sich nie wieder wiederholen. Wir müssen in jedem Bereich wieder zur Perfektion kommen.“ In Monza wolle er das Ferrari-Bridgestone-Team wieder in Siegform sehen.

In der „La Gazzetta dello Sport“ nahm der Chef seinen Schützling Michael Schumacher allerdings in Schutz: „Wir können es schaffen, denn wir haben mit Schumacher den Stärksten. Er wird seinen Titel verteidigen.“

Während der Boss tobte, verkroch sich Schumi nach Hause in die Schweiz, wo er bis zum 2. September nichts hören und sehen will. Danach plant Ferrari gut informierten Kreisen zufolge einen Attacke-Test mit vier Autos, der es in sich haben soll. Schumacher jedenfalls kündigte an: „Wir werden zurückschlagen.“

Schumis Talfahrt schockt Experten

Italien sieht Rot, die Konkurrenz ist obenauf und Niki Lauda ernsthaft besorgt: Noch nie stand Michael Schumacher so unter Druck wie nach dem Desaster von Ungarn. „Es ist beängstigend, wie Ferrari abgerutscht ist“, wunderte sich Ex-Weltmeister Lauda am Montag über die Talfahrt des Rennstalles. „Es ist unglaublich, wie schlecht sie sind.“

Der Österreicher schiebt nicht nur dem Reifenhersteller Bridgestone den Schwarzen Peter in die Schuhe, sondern nimmt auch das Team in die Pflicht. „Wenn man zu erfolgsverwöhnt ist, dann lässt man nach.“ Auch Schumacher selbst sei nicht mehr ganz so souverän: „Seine Leistung macht mir im Moment ein wenig Sorgen.“

Michael Schumacher selbst sprach sich auf seiner Homepage Mut zu: „Meine Ausgangsposition könnte noch schlechter sein. Ich bin überzeugt, dass wir einen großen Schritt nach vorne machen und zurückschlagen können.“

Italiens Presse geht mit Ferrari derweil hart ins Gericht: „Ferrari steckt in der Krise. So ein Zusammenbruch war nicht zu erwarten“, erkannte der „Corriere della Serra“. Die „La Repubblica“ warnte gar vor dem Untergang: „Schumacher sah aus wie ein Schiffbrüchiger der Bounty, der mit einem Ruderboot paddelt. Was ist hier los?“

Jetzt zählt jeder Punkt

72 Punkte Schumi, 71 Montoya, 70 Räikkönen – nach dem Grand Prix von Ungarn ist die Formel 1 spannender denn je.

Überrundet, vom Bruder überholt, die WM-Führung nur knapp verteidigt: Michael Schumacher wird das Rennen von Budapest sicher ganz schnell vergessen wollen. Mit letzter Verzweiflung rettete Schumi ein winziges Pünktchen ins Ziel und führt die WM gerade noch an. Seit zwei Monaten muss er mit ansehen, wie vor allem Juan Pablo Montoya immer näher kommt.

Schumi steht unter Druck wie seit Jahren nicht. Nach der WM im letzten Jahr schien die Titelverteidigung nur Formsache, doch plötzlich hat sich der Spieß umgedreht.

Es ging in Budapest für Ferrari schief, was nur schief gehen konnte. „Vor dem zweiten Stopp ist mir fast das Benzin ausgegangen,“ schimpfte der Kerpener. Darum drohte in der Box sogar sein Motor abzusaufen, schon zum zweiten Mal in dieser Saison.

Auch der ständig vor ihm herfahrende Renault-Trulli machte Schumi sauer. „Ich weiß nicht, warum er die Notbremse für mich spielte, während sein Teamkollege uns überrunden kann.“

Demütigender Platz 8

Der Ferrari-Pilot aus Kerpen wurde am Sonntag Achter und führt in der Fahrer-WM nun nur noch mit einem Punkt vor Juan-Pablo Montoya, der Dritter wurde. Der Spanier Fernando Alonso feierte auf dem Hungaroring seinen ersten Grand-Prix-Sieg vor Kimi Räikkönen. Nach einer Aufholjagd von Rang 18 nach einem Dreher kurz nach dem Start wurde Ralf Schumacher Vierter. Mit 58 Zählern kann sich Schumi II nur noch vage Hoffnungen auf den Titel machen.

„Alles, was schief laufen konnte, ist schief gelaufen“, klagte der fünfmalige Champion. „Insofern können wir wahrscheinlich sogar mit dem einen Punkt zufrieden sein. Ich hatte mir eigentlich mehr erhofft“, so ein konsternierter Schumi, der sich vor allem über verpatzte Tankstopps ärgerte.

Auch sein Bruder beklagte eine verpatzte gute Gelegenheit, um sich in der WM weiter nach vorne zu schieben. „Ich habe keine Ahnung, was beim Start los war. Es war eine ziemlich gute Aufholjagd. Da kann man sich vorstellen, was möglich gewesen wäre, wenn beim Start alles klar gegangen wäre“, meinte Ralf Schumacher.

Auf dem 4,385 Kilometer langen Kurs fuhr der 22 Jahre alte Saisonaufsteiger Alonso souverän zu seinem ersten Sieg in seinem 30. Formel-1-Rennen und bescherte zugleich Renault den ersten Erfolg seit ihrem Wiedereinstieg 2001. Nach 306,663 Kilometern und 1:39:01,460 Stunden hatte der jüngste Grand-Prix-Sieger der Geschichte 16,7 Sekunden Vorsprung auf Räikkönen. In der 62. Runde überrundete das Talent den fünfmaligen Weltmeister Schumacher sogar und machte damit die derzeitige Unterlegenheit der Ferraris deutlich. „Ein Traum wurde wahr“, freute sich der Shooting-Star.

Eine echte Siegchance besaß Michael Schumacher nach seinem achten Startplatz und dem Nachteil seiner Bridgestone-Reifen gegenüber den Michelin-Pneus zu keiner Zeit. Eine günstigere Ausgangsposition für das Rennen hatte er in der Qualifikation am Samstag verpasst: Nach der Auswertung der Daten war zu niedriger Luftdruck in den Reifen festgestellt worden, der eine bessere Rundenzeit verhinderte. Da der kurvenreiche Hungaroring trotz seines Umbaus kaum Überholmöglichkeiten zulässt, zeichnete sich früh ab, dass der Titelverteidiger nicht um den ersten Platz mitfahren würde.

So blieb der 68-malige Grand-Prix-Gewinner zum fünften Mal in Serie sieglos und muss auch auf seinen 50. Erfolg im Ferrari warten. Eine ähnliche Durststrecke machte Michael Schumacher zuletzt zwischen Juni und September 2000 durch – in dem Jahr wurde er dennoch erstmals mit Ferrari Weltmeister und holte den dritten seiner fünf Titel. Jetzt muss er nach der Enttäuschung auf dem Hungaroring, wo er 2001 vorzeitig den Fahrer-Titel gewonnen hatte und wo sich Ferrari im vergangenen Jahr die Konstrukteurs-WM holte, erstmals seit langem aber um seinen WM-Thron fürchten.

Gladbacher werden ausgebootet

Auch für das Sauber-Duo verlief das Rennen so unerfreulich wie das gesamte Wochenende. Nick Heidfeld blieb als Neunter erneut ohne Punkte. Heinz-Harald Frentzen schied in der 50. Runde aus. Einen Tag zuvor hatte Teamchef Peter Sauber mitgeteilt, dass im neuen Jahr Giancarlo Fisichella für die Schweizer fährt. Auch die Rückkehr von Ferrari-Testfahrer Felipe da Massa gilt als sicher. Damit ist bei Sauber kein Platz mehr für die beiden Gladbacher und ihre Zukunft ungewisser denn je.

Ralf muss sich hinten einreihen

Für Michael Schumacher, der 1994, 1998 und 2001 in Budapest siegte, begann das Rennen vielversprechend. Er gewann das Startduell gegen den vier Plätze vor ihm liegenden WM-Rivalen Montoya. Pech hatte Ralf Schumacher: Von Position zwei in den Grand Prix gegangen, drehte er sich in der zweiten Kurve und fiel zunächst auf Rang 18 zurück. Alonso, der zum zweiten Mal in seiner Karriere die Pole-Position erobert hatte, verteidigte seine Führung.

Beim ersten Tanken und Reifenwechsel der Spitzenfahrer zwischen der 13. (Alonso) und 19. Runde (Coulthard) verlor Michael Schumacher einen Platz an Montoya. Ralf Schumacher kämpfte sich derweil durch das Feld und krönte zunächst seine Aufholjagd, als er seinen Bruder in der 30. Runde überholte.

Spektakulärer Crash

Für Vorjahressieger Rubens Barrichello war das Rennen in der 19. Runde spektakulär zu Ende: Auf der Zielgeraden flog das linke Hinterrad seines Ferrari plötzlich weg. Der Brasilianer fuhr frontal in einen Reifenstapel, blieb aber unverletzt.

Danach verlief das Rennen ohne Aufregung. Während Alonso einsam seine Runden an der Spitze drehte, bemühte sich Michael Schumacher um Schadensbegrenzung. Doch mehr als ein achter Platz war für den Champion nicht drin.

27.08.03, 13:35 Uhr
http://focus.msn.de/G/GN/gn.htm?snr=123608&streamsnr=10