Einfach nur geil
Jürgen Klopp verspricht der Eintracht einen heißen Tanz
Von Ingo Durstewitz (frankfurter rundschau)
Irgendwie ist Jürgen Klopp ja eine Mischung aus Normalo und Paradiesvogel. Der Normalo Klopp trägt ein schwarzes T-Shirt und Jeansjacke, blättert in der Bild-Zeitung, schmunzelt über Effe, bodenständig, offen, locker, frei von Allüren, er duzt und wird geduzt. Der Paradiesvogel Klopp ist ein Paradiesvogel, weil er die Kraft der Worte entdeckt hat, weil er sich geschliffen ausdrückt, mit der Sprache spielt, Worte verhüllt; weil er Plattitüden hasst wie der Teufel geweihtes Wasser, weil er redet, aber nicht labert - und in der Welt der Phrasendrescher damit heraussticht wie ein Papagei inmitten einer Schar Amseln. Vor dem heutigen Fußballspiel zwischen dem von ihm trainierten FSV Mainz 05 und Eintracht Frankfurt hat Klopp, der Paradiesvogel, geredet wie ein Wasserfall, Sätze im Stakkato rausgehämmert, bis ihm nichts mehr eingefallen ist, dann hat der andere Klopp, der Normalo, den Jargon der Straße bemüht: "Dieses Spiel ist geil. So richtig geil."
Es sind Duelle wie diese, die Klopp, um in seiner Diktion zu bleiben, geil machen, die den etwas anderen Trainer packen und schütteln, die ihn antreiben. Mainz und Frankfurt, Kopf an Kopf, nur durch ein Tor getrennt, ein Spiel um fast alles oder fast nichts. Der seit Monaten ausverkaufte Bruchweg pickepacke voll, ein Gegner aus einer nicht mal 50 Kilometer entfernten Stadt, mit einem - zumindest in der zweiten Liga - Namen wie Donnerhall, das mediale Interesse riesig, das Fernsehen überträgt live. Klopps Augen funkeln hinter der Brille, die Vorfreude springt die Zuhörer an. "Ein Spiel wie gemalt", sagt er. "Reizvoller geht es nicht." Der 35-Jährige hofft auf eine "geile" Atmosphäre im Stadion, "so ein bisschen wie in England".
Natürlich hat auch die personifizierte Eloquenz Lieblingssätze, wenn sie über Fußball spricht. Kloppo doziert nur zu gerne über Leidenschaft, Feuer, Einsatz, Willen, Laufbereitschaft, erzählt vom Glauben an die eigene Stärke, von Lust am Fußball. All das und noch ein bisschen mehr werden seine Männer gegen Eintracht Frankfurt in die Waagschale werfen, "und dann wird es immer noch sehr schwer". Denn die Hessen, glaubt Klopp, werden ähnliche Tugenden einbringen. Die Mainzer Elf fiebert der Begegnung entgegen, sie hat auch etwas gutzumachen, will die 0:3-Schlappe in Aachen ausmerzen. Aber ein Endspiel? "Nein, Endspiele habe wir die ganze Saison lang", und außerdem sei es ja vorher "nicht nur um Blumentöpfe" gegangen. Die Aufregung kriecht jedenfalls in den Spielern hoch, aber das sei in Ordnung, denn "Nervosität steigert die Konzentration".
Klopp, vor drei Jahren vom Spielfeld auf die Trainerbank gewechselt, hat eine besondere Beziehung zu Eintracht Frankfurt. Er, der kumpelhafte Hardcore-Motivator, wohnt in Frankfurt, hat früher für die Eintracht-Amateure gekickt und später mit Eintrachts Alex Schur zusammen bei Rot-Weiss Frankfurt. Viele seiner Kumpels sind beinharte Eintracht-Anhänger (denen hat er Karten fürs Spiel besorgt), genauso wie sein Sohn. Er kennt das "ausgeprägte Selbstverständnis" der Eintracht, und nur zu gerne würde endlich mal ein Spiel gewinnen gegen den immer irgendwie übermächtig erscheinenden Nachbarn vom Main. Deshalb hat er sich ein paar "besondere Dinge" einfallen lassen. Welche, das verrät Harry Potter, wie ihn die Bild taufte, nicht. Ganz dezent schießt er dafür ein paar Spitzen ab. Ein Späßchen sei es ja wohl, dass die Eintracht es als Sensation verkaufe, in der Spitzengruppe zu stehen. "Die haben 4000 Bundesligaspiele auf dem Buckel." Und dann zählt er sie auf, die Korsettstangen. Jones: "sauschnell", Beierle: "köpft jeden Ball rein", Skela: "Granate, verliert keinen Ball", Schur, Montero: "da muss man sich warm anziehen, wenn man da durch will", Keller: "organisiert nebenbei auch noch die Abwehr von den Amateuren und der A-Jugend". Was bleibt da für seine Männer? "100 Prozent! Sonst nichts."
Die Harmonie am Bruchweg ist aber ausgerechnet vor dem wegweisenden Spiel gegen die Eintracht ein bisschen gestört, denn Bayer Leverkusen ist an einer Verpflichtung Klopps interessiert. Der Begehrte tut die Geschichte als Gerücht ab. "Das ehrt mich, das finde ich klasse", aber Kontakt bestünde nicht. So oder so: Calmund und Klopp - das hätte was.
Keine weichen Knie
Willi Reimann verspricht den Mainzern Gegenwehr
Von Thomas Kilchenstein (Frankfurter Rundschau)
Am Samstag hat Woronin einen Elfmeter verschossen. Weit und hoch über das Tor, und wenn er drin gewesen wäre, hätte das Team aus Mainz vielleicht noch mal ran kommen können. Doch so musste sich die Mannschaft in den gelben Mainzer Trikots am Ende 3:7 geschlagen geben gegen Frankfurt. Wer da Fußball spielte auf neutralem Boden und auf Initiative des DSF waren Mainzer und Frankfurter Journalisten, und irgendwann in der dritten Halbzeit hat einer die Frage gestellt, was das denn nun zu bedeuten habe für den heutigen Montag, da der FSV Mainz 05 und Eintracht Frankfurt um 20.15 Uhr um den Aufstieg in die Erste Bundesliga spielen.
Vermutlich nichts.
Vermutlich werden andere Dinge den Ausschlag in diesem Spiel der Tabellennachbarn geben: Die Einstellung, die bessere Kondition, der größere Willen, die Qualität, oder wer einfach an diesem Abend "in diesem recht interessanten Spiel" (Willi Reimann) die bessere Form hat. Jedenfalls sind zumindest die Frankfurter "hochmotiviert und bereit" zu diesem Derby am Bruchweg mit vorentscheidendem Charakter, in dem sie, sagt Reimann, "auf Sieg spielen werden". Auf ein Remis zu spekulieren, das der Eintracht womöglich besser in den Kram passen würde, hielte er jedenfalls für verkehrt.
Reimann sagt, der FSV Mainz könne ihn nicht überraschen, einerlei, ob die Hausherren nun wie gewohnt offensiv spielten oder angesichts der Brisanz dieser Begegnung mit gebremstem Schaum. Ausführliches Bildmaterial läge ihm vor, weshalb man auf "alles vorbereitet" sei, was Mainz zu bieten habe. Diese Videoanalyse wird er seinen Recken am Montag bei Kaffee und Kuchen vorführen, er wird zeigen, welche Standarts die Null-Fünfer drauf haben, aber auch, wie man gegen sie Tore schießt. Zum guten Schluss wird Reimann der Mannschaft ein paar Ausschnitte aus dem Hinspiel zeigen zur Erbauung und zwecks Hebung des Selbstwertgefühls: Damals im November hatte die Eintracht nicht nur 1:0 gewonnen (Schütze Schur), sondern die Mainzer nach allen Regeln der Kunst ausgespielt.
Nicht nur deswegen geht Reimann sehr zuversichtlich ins Spiel: Man könne personell aus dem Vollen schöpfe, einzig Tsoumou-Madza hat leichte Kniebeschwerden, man habe eine gute Auswärtsbilanz und darüber hinaus könne sich seine Mannschaft "mental fantastisch" auf solche Spitzenspiele einstellen. Natürlich werde auch das stabilere Nervenkostüm eine entscheidende Rolle spielen, aber gerade in diesem Punkt sieht Reimann keine sonderlich großen Probleme auf sein Team zukommen. "Wir werden keine weichen Knie bekommen." Auch deshalb nicht, weil die Eintracht über eine Reihe von Spielern verfügt, die große Erfahrung haben, um auch in diesem "tollen Stadion", mit 18 700 Zuschauern seit Wochen ausverkauft, bestehen zu können.
Während die Spieler von Eintracht Frankfurt die Maßgabe des Trainers, sich ganz auf die Partie am Montag zu konzentrieren und Interviews möglichst zu meiden, weitgehend befolgt hatten, ist Willi Reimann selbst "völlig überraschend", wie er selbst sagte, in den Fokus der Öffentlichkeit getreten. Durch seine Aussage, er wolle den Entschluss über seine weitere Zukunft von den Personalentscheidungen in der Führungsetage abhängig machen, hat er Spekulationen über seinen Abschied Tür und Tor geöffnet. Von Abschied sei keinesfalls die Rede gewesen, er habe in Frankfurt "ganz seriös" gearbeitet. "Wir haben uns sportlich ordentlich und positiv dargestellt." Heute steht die Nagelprobe an.
Voraussichtliche Aufstellungen:
Mainz: Wache - Nikolic, Bodog, Abel, Rose - Azaouagh, Babatz, Dennis Weiland - Niclas Weiland, Thurk, Woronin.
Frankfurt: Nikolov- Bindewald, Tsoumou-Madza, Keller, Wiedener - Schur, Skela, Montero, Bürger - Jones, Beierle.
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