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Sixpacks und Partygranaten
Der ganz normale eBay-Wahnsinn
Von Steffen Gerth
Es passiert immer wieder: Eine originelle, witzige oder schlicht doofe Auktion löst eine Mode aus, jenseits von Sinn und Verstand. Letztes Jahr wurden Brötchen für Millionensummen versteigert, dieses Jahr sind es Frauen. eBay genießt den Rummel, bis es zu viel wird: Die Ungeister dann wieder los zu werden, ist nicht leicht.
Partygranaten: Zehn Millionen Euro Top-Gebot
Der Irrsinn wurde am Dienstagmorgen durch eine Zahl beschrieben: zehn Millionen Euro.
Zehn Millionen Euro als Höchstgebot für vier Frauen aus Köln und Bochum, die sich über eBay als "Partygranaten" anboten und den Bietenden versprachen, auf deren Party mit einer Kiste Bier (diesmal Becks Gold) anzurücken, dort nicht nur eine gute Figur machen, sondern dank akademischer Ausbildung auch für "niveauvollen Smalltalk" zu sorgen. Doch was als flotter Gag geplant war, geriet stündlich immer mehr zu einem absurden Theater. Natürlich hätte niemand für dieses Quartett zehn Millionen Euro bezahlt, das sieht man bei eBay ebenfalls so. "Wir haben den Partygranaten geraten, ihre Auktion abzubrechen", sagte Joachim Guentert, Leiter der Unternehmenskommunikation, am Dienstag zu SPIEGEL ONLINE.
Schon wenige Stunden später hatte sich eBay durchgesetzt: Die "Partygranaten" waren nicht mehr online - und mit ihnen gingen viele andere gleichnamige Anbieter über den virtuellen Jordan.
"Die Frauen haben uns am Ende gebeten, abzubrechen", betont Guentert. Der Grund: Die Menge der Bieter, die eBay auf deren Seriösität überprüfen musste, war zu groß geworden. "Es drohte zu eskalieren", formuliert es Guenter. eBay verzichtet deswegen sogar auf die Gebühren, die "Partgranaten" müssen sich dagegen vom Traum vom schnellen Geld verabschieden. Der Ruhm war nur von kurzer Dauer.
Das gilt auch für viele andere Trittbrettfahrer, denn eBay hat die Rubrik "Partygranaten" regelrecht entrümpelt. Geglieben sind immerhin noch 37 Offerten, darunter "Granaten", die auf Weihnachtsfeiern strippen oder als Tandem-Fallschirmspringer zu buchen sind - aber auch clevere Verkäufer von "Partygranaten"-Mützen mit "drehenden Lichtern".
"Sixpack" war der Auslöser - danach begann der Irrsinn
Es ist Guentert anzumerken, dass eBay alles andere als glücklich darüber ist, was derzeit auf den Seiten der virtuellen Auktionsbörse los ist. Zwar ist der Internetmarktplatz derzeit mächtig im Gespräch, kommt aber auch langsam ins Gerede. Binnen weniger Tage tummelten sich plötzlich Dutzende Grüppchen, die sich zur Versteigerung anbieten, und bei Partys für Stimmung sorgen wollten. Dabei hatte vorige Woche alles so harmlos und naiv begonnen mit sechs Frauen aus Gütersloh, die als "Sixpack" mal eben Text und Bilder auf die eBay-Seite luden und einen Kasten Bier (Krombacher) sowie gute Partylaune versprachen.
Aber harmlos war gestern. Als die Auktion des Sextetts aus Gütersloh am Sonntag auslief, stand das finale Gebot bei sagenhaften 25.050 Euro. Der "Gewinner" ist der 23 Jahre alte Markus Pfitzke aus dem Rhein-Main-Gebiet, und der junge Mann hat nicht geblufft: Schon am Dienstag war das Geld in Gütersloh.
Die Party soll aber in zwei, drei Wochen an einem noch nicht benannten Ort stattfinden, mit vielen Prominenten und begleitet von einem (ebenfalls noch nicht genannten) Großunternehmen, das den Teil seines Gewinnes in soziale Projekte steckt. RTL hat mit den Frauen einen Exklusivvertrag abgeschlossen, Krombacher will die Party mit Bier sponsern, mehr allerdings investiert die Brauerei aus dem Siegerland nicht, versichert Firmensprecher Dr. Franz-Josef Weihrauch gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Allerdings prüft das "Sixpack" noch weitere Werbeverträge; Christine, Stefanie, Andrea, Petra, Nicole und Kerstin sind nolens volens über Nacht zu Medienstars geworden mit eigener Homepage, deren Zählwerk für die Zugriffszahlen rattert wie ein Stromzähler unter Volllast. Eine weitere gute Nachricht gibt es ebenfalls: Die Düsseldorfer Werbeagentur Sixpack wird wegen möglicher Namensgleichheiten keine juristischen Schritte beschreiten, so Christine, die "Sprecherin" des Gütersloher "Sixpack".
Deutschland sucht den Jedermann
eBay hat sich innerhalb von fünf Tagen von einer Börse für Kleiderschränke, CDs oder Babysachen zu einer Bühne für eine besondere Variante des Castingterrors von "Deutschland sucht den Superstar" gemausert - nur hier wird jetzt in der Jedermann-Kategorie gekämpft.
Was in Gütersloh gelungen ist, muss doch anderswo auch drin sein, dachten sich viele - also wurde das Posieren im Netz zum Breitensport. Bei Bohlen muss man wenigstens singen können, um an den Start gehen zu dürfen, eBay lässt jeden Teilnehmer zu, der die Gebühren entrichtet.
Ein "sexy Partyhuhn" aus Gummi versteigert "euro-sparfux" und lockt: "kräftig bieten und Ihr bekommt auch eine Chance bei RTL aufzutreten"
Die "Partygranaten" sind dabei schon viel kalkulierender vorgegangen als ihre Konkurrentinnen vom "Sixpack": Yvonne, Sandra, Daniela und Katrin wissen nicht nur, dass sie gut aussehen, sie setzten ihre weiblichen Reize beim Fototermin in einem Bochumer Kino auch ins rechte Licht. Und ein Bieter mit dem Namen "lastactionheroe" rief Summen auf, die immer schneller immer idiotischer wurden. Ein so genannter Rock-Disjockey namens Sven verbirgt sich hinter diesem Nickname - selbst 40.000 Euro waren ihm irgendwann ihm nicht mehr zuviel für die "Granaten" aus NRW.
Verrückt? Am Dienstagnachmittag hielt ein gewisser "g.laden" den Highscore: mit 150.050 Euro. Am späten Dienstagnachmittag wurden für die eBay-Anzeige der Partygranaten rund 600.000 Seitenaufrufe notiert, das Gebot wurde dann wieder auf 133.483 Euro bereinigt, "lastactionhero" war wieder dabei, offenbar hatte er bei seiner Bank vorgesprochen. Letztlich vergeblich, die "Partygranaten" sind entschärft worden - der Traum vom Ruhm war ein kurzer.
Trotzdem: Was ist denn hier los? Das fragt man sich auch eBay. Pressesprecher Guentert ist im Dauerstress, seine 440 Kollegen im Kunden- und Sicherheitsdienst versuchen, per Telefon sich von der Glaubhaftigkeit aller Bieter zu überzeugen. "Wegen dieses unglaublichen Medieninteresses werden auch viele schwarze Schafe angelockt", sagt Guentert. Nach und nach löscht eBay die Falschspieler und mediengeilen Trittbrettfahrer, die Millionenbeträge bieten.
Denn die "Partygranaten" aus Köln und Bochum waren längst nicht mehr die einzigen "Granaten" im Netz, von "Sixpacks" der Gütersloher Art gibt es ebenfalls Dutzende: Männer und Frauen aus Nürnberg, Bremen oder Castrop Rauxel boten sich und jeweils eine Kiste Bier an, einer lockte als Feuerspucker, einer bewirbt sich gleich als ganzes Frauenversandhaus mit 500 Exemplaren am Lager. Startgebot: 25.000 Euro. Aber weil der gegen das eBay-Verbot einer kommerziellen Verlinkung verstoßen hatte, muss der Frauenhändler nun anderswo seine Geschäfte machen.
eBay ist emsig bemüht, Schaden vom Unternehmen fernzuhalten. Nicht nur Pressesprecher Guentert ist noch gut die "Käsebrötchen-Affäre" im Gedächtnis, die ein Witzbold auslöste, der einfach mal eine belegte Backware zur Versteigerung anbot. Beim Gebot von zehn Millionen Euro löschte eBay dann diese Auktion, wissend, dass solche Summen niemals bezahlt werden. Das Käsebrötchen verschwand, niemand bekam Geld, auch damals verzichtete eBay auf die Gebühren.
"Wir freuen uns", sagt Sprecher Joachim Guentert, " wenn eBay als Kult wahrgenommen wird. Aber so ein Kult kann auch schnell unseriös werden." Daher sei es dieser Tage mehr denn je geboten, die Seriosität des Markplatzbetreibers zu sichern. "Schließlich soll sich hier auch der gestrenge Lehrer zu Hause fühlen."
Einstweilen hat eBay den Irrsinn in den Griff bekommen - aber die nächste Welle kommt bestimmt.
Steffen Gerth, jobpilot.de
gruß, mick