FAZ vom 09.09.2003
Die Fans feiern Versöhnung mit den Lions
09. September 2003. Die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Anders als im Vorjahr, als die Fans die Lions nach ihren unzähligen Mißerfolgen regelmäßig mit Pfiffen und Schmährufen vom Eis verabschiedet hatten, blieben sie am Sonntag nach dem 4:5 gegen die Hamburg Freezers auch im Anschluß an die Schlußsirene noch lange in ihrem Block, klatschten in die Hände und skandierten die Namen ihrer neuen Lieblinge so lange, bis diese naß geschwitzt noch einmal aus der Umkleidekabine auftauchten. Eine Ehrenrunde nach einer Niederlage? Selbst langjährige Besucher konnten sich spontan nicht daran erinnern, wann es so etwas im Eisstadion am Ratsweg zuletzt gegeben hat.
Die neuformierte Frankfurter Mannschaft war drauf und dran gewesen, dem Anwärter auf die deutsche Meisterschaft mit einer famosen Aufholjagd noch den sicher geglaubten Sieg zu entreißen. 0:3 und 1:4 hatten die Eis-Löwen durch Tore von Wayne Hynes, Mark Greig, Brad Purdie und Dan Lambert kurz vor und nach der ersten Drittelpausen hinten gelegen und zudem ihren Anführer Dwayne Norris wegen einer Spieldauerdisziplinarstrafe verloren - es sah so aus, als ob schon das Heimdebüt zu einem Fiasko werden würde. Doch die auf 18 Positionen veränderte Mannschaft von Trainer Rich Chernomaz bewies, "daß viel Charakter in ihr steckt", wie Gerd Schröder, der Alleingesellschafter der Frankfurter, lobte: "Es sind Typen, die hundertprozentig brennen und füreinander kämpfen." Das Team habe "alles versucht, doch heute abend konnte es gar nicht gewinnen", schimpfte er und spielte damit auf mehrere Entscheidungen von Hauptschiedsrichter Frank Awizus an, der wohl kein Freund der Lions mehr wird. Umstritten war vor allem die Hinausstellung von Norris nach einer Viertelstunde, denn der vermeintlich von ihm mit Absicht verletzte Gegenspieler Jacek Plachta erfreute sich bester Gesundheit und konnte nach dem Zusammentreffen mit dem Frankfurter Angreifer ohne Probleme weiterspielen. In Überzahl gelangen den Hamburgern die ersten beiden von insgesamt vier Powerplay-Toren. "Eine Zweiminutenstrafe hätte es ohne weiteres getan", kommentierte Schröder die Aktion, durch die der Referee den restlichen Abend zum Feindbild der Löwen-Anhänger unter den rund 4000 Besuchern geworden war. Dem Berliner Awizus würde Schröder künftig am liebsten "Hausverbot" erteilen, "denn immer, wenn er unsere Spiele leitet, pfeift er nur gegen uns", glaubte er erkannt zu haben.
Nicht minder diskutiert wurde später auch eine weitere Entscheidung des Unparteiischen kurz vor Schluß, nachdem sich die Lions durch Michael Hackert (28. Minute) und Peter Ratchuk (31.) auf 3:4 herangekämpft hatten und mit Macht gegen die vom hohen Tempo der Lions erschöpften Hamburger auf den Ausgleich drängten: Awizus gab an, von der Auswechselbank der Lions beleidigt worden zu sein, worauf er mit einer sogenannten "Bankstrafe" reagierte, und die Frankfurter nur noch zu fünft auf dem Feld standen: Prompt traf Shane Peacock zum 3:5 (58.). Chernomaz sagte später, "keinem Spieler, keinem aus dem Trainerteam und keinem Betreuer" sei ein Wort über die Lippen gekommen - und lächelte schelmisch. Ob die Verbalattacke von einem der Ärzte kam oder gar von Schröder, der mit einigen Gefolgsleuten die Spiele immer unmittelbar neben der Bande verfolgt, wollte Chernomaz nicht mitteilen. Schröder, der auch eine halbe Stunde nach dem Ende noch aufgeregt umherlief und unmittelbar nach dem Ende auf dem Eis das Vieraugengespräch mit Awizus gesucht hatte, behauptete "geschwiegen zu haben wie ein Grab". An diesem Dienstag will er, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Eishockey Liga ist, auf einer Gesellschafterversammlung das Gebaren von Awizus zur Sprache bringen. "Am liebsten wäre mir, wenn er nie wieder zu unseren Spielen kommt." Ein Wunsch, der kaum erhört werden wird.
Gelassener als bei seinem Vorgesetzten fiel die Analyse von Chernomaz aus, den es freute, daß die Seinen nie aufsteckten und selbst Sekunden vor dem Ende durch Jesse Belangers Tor noch einmal nachlegten. "Auch ein Schiedsrichter kann mal ein schlechtes Spiel machen." Daß Norris an diesem Donnerstag für die stets hochbrisante Partie in Mannheim aufgrund der Strafe gesperrt sei, nannte er "einen erheblichen Verlust", doch nachkarten wollte er nicht, "sonst schaut uns Awizus das nächste Mal doch noch mehr auf die Finger". Wichtiger war ihm, gesehen zu haben, daß die Aussöhnung mit den durch den Niedergang des vergangenen Jahres argwöhnischen Fans Fortschritte machte. "Unser Erfolg heute abend war die Tatsache, daß wir uns diese phantastische Unterstützung des Publikums erarbeitet haben."
Auch wenn es kein in Punkten zählbarer Lohn war, für den weiteren Verlauf der langen Saison kann der achtbare Auftritt vom Sonntag positive Folgen haben: Die Lions haben gesehen, daß sie, wenn sie diszipliniert zu Werke gehen und sich den Zuspruch von den Rängen verdienen, gegen Top-Teams der Liga mithalten können. Marc Heinrich
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