RUNDSCHAU Das Unvorstellbare nimmt Konturen an
Lions richten sich nach Niederlage in Mannheim allmählich auf eine freudlose Relegation ein
Von Reinhard Sogl (Mannheim)
Als der Mannschaftsbus der Frankfurt Lions am späten Dienstagabend in Mannheim Kurs Richtung Autobahn nahm, verpasste der Fahrer die richtige Abzweigung. Um einen längeren Umweg zu verhindern, bog die Frankfurter Entourage nicht ganz gesetzeskonform ab. Dieses Manöver könnte bald sinnbildlich stehen für den Eishockeyklub, denn der ist demnächst vielleicht auch auf einen indirekten und eigentlich nicht vorgesehenen Pfad angewiesen. Dann nämlich, wenn er Nutznießer eines nicht unwahrscheinlichen Lizenzentzugs eines Teams werden müsste, um dem Abstieg zu entgehen.
Gewiss, noch ein bisschen viel des Konjunktivs, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Lions zumindest die Relegations-Duelle bestreiten müssen, ist seit der etwas unglücklichen 0:2-Niederlage bei den Adlern deutlich gewachsen. Mit nur noch einem Punkt Vorsprung auf Schlusslicht Moskitos Essen sind die Frankfurter auf den vorletzten Rang abgestürzt. Tendenz fallend. Das Unvorstellbare hat damit fünf Spiele vor Ultimo überdeutliche Konturen angenommen. Selbst Co-Trainer Clarke zieht mittlerweile die freudlosen Zusatzschichten in Betracht, auch wenn die kämpferisch gute Vorstellung der personell dezimierten Mannschaft in Mannheim Anlass zur Hoffnung gab: "Wenn wir weiter mit der richtigen Einstellung spielen und alle uns kräftig die Daumen drücken, können wir es schaffen." Können allein, so viel scheint klar, reicht zur Verhinderung der Strafarbeit nicht aus.
Immerhin dürfen die Lions für das wichtige Spiel am morgigen Freitag beim Klassenerhalts-Konkurrenten Revier Löwen auf die Rückkehr der Stürmer Gervais und Seliwanow hoffen. Sollte die DEL Gnade vor Recht ergehen lassen, könnte auch Brent Tully die Abwehr verstärken. Tully musste nach seinem Kopfstoß zwei Mal pausieren, hofft jetzt aber auf Bewährung. Sonderlich entspannen wird sich die Personalmisere freilich nicht, wird doch Steve Palmer wegen seiner Spieldauerdisziplinarstrafe ausfallen. Kein Wunder, dass auch Trainer Butch Goring von einer "schwierigen Lage" spricht.
Seit der frühere NHL-Coach bei den Lions anheuerte, hat er schon jede Menge gelernt. Von Germany im Allgemeinen und dem deutschen Eishockey im Besonderen. Fast jedes Match ist ein neuer Erkenntnisprozess für den Mann, der derzeit einen DEL-Schnupperkurs absolviert. Am Dienstag erkannte er beispielsweise, "dass in der Liga jeder jeden schlagen kann."
Blöderweise hatte ihn gerade sein Team Lügen gestraft, das zwar eine ehrenwerte Vorstellung gab, aber eben doch verlor, während die Konkurrenten mit überraschenden Siegen Gorings These bestätigten. Es grenzt angesichts dieser Ausgangsposition daher schon an Zweckoptimismus, wenn er bedauernd feststellte, dass die Fans nach dieser "echten Schlacht" bis zur nächsten Saison auf eine weitere solche "gewaltige Show" warten müssten. Es war, mit Verlaub, tatsächlich eines der schlechtesten DEL-Spiele der jüngeren Geschichte. Rocky Horror der anderen Art.
Noch steht nicht fest, ob es dieses Südwestderby auch im nächsten Jahr wieder geben wird. Dass es das erste und letzte für Goring war, ist dagegen so sicher wie die nächste Strafzeit für die Lions. Just in Mannheim, wo Lance Nethery die Adler drei Mal zu Meisterehren führte, bekamen die Gerüchte neue Nahrung, dass der zuletzt in Köln vom Erfolg ver- und deshalb entlassene Trainer Nachfolger des derzeitigen Aushilfs-Coaches wird. Bliebe allerdings eine Voraussetzung zu schaffen: der Klassenerhalt.
Gruß Christoph
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