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Mit der Entlassung von Doug Bradley versucht der Frankfurter Eishockeyklub, das Schlimmste zu verhindern
Die Lions und ihr unstillbarer Hunger nach Trainern
kle./löf. FRANKFURT. Die Kürze der öffentlich verbreiteten Erklärung spiegelte in etwa den Eindruck wider, den der geschaßte Trainer in den vergangenen Monaten hinterlassen hat. "Doug Bradley, Head-Coach der Frankfurt Lions, wurde nach der gestrigen und fünften Niederlage in Folge mit sofortiger Wirkung freigestellt", lautete die am Mittwoch vom Eishockeyklub verbreitete offizielle Mitteilung; kein Wort zuviel über die zweite Trainerentlassung bei den Eis-Löwen binnen dreieinhalb Monaten. Dabei war die Tatsache, daß der Mitte September als Assistent von Blair MacDonald verpflichtete Bradley "freigestellt" wurde, bereits am späten Dienstag abend nach dem 2:4 gegen die Kölner Haie bekannt, nachdem sich Gerd Schröder scheinbar spontan entschlossen hatte, durchzugreifen. Bradley habe "kein Ohr mehr bei der Mannschaft gefunden", meinte der Lions-Eigentümer, er habe "keine Impulse" mehr geben können.
Eine späte Erkenntnis, die offenbar erst angesichts des bedrohlicher werdenden Abstiegskampfes gereift ist. Es war in den vergangenen Wochen schon längst fraglich, wer an der Lions-Bande das Sagen hatte, auf wen die Spieler wirklich hörten: Auf Bradley, der schon von 1997 bis 1999 als Assistenztrainer bei den Eis-Löwen unter Vertrag stand, oder auf den mächtigen Manager Bernie Johnston, der bestmimt und bestimmend auftritt.
Einen Nachfolger für den Nachfolger von MacDonald, der im Oktober gehen mußte, wollen die Lions angeblich noch vor dem Spiel gegen die Hannover Scorpions an diesem Freitag präsentieren. Zu diesem Zwecke versammelte sich am Mittwoch bis zum späten Abend jener illustre Kreis, der schon Routine hat im Führen von Krisengesprächen: Eigentümer Schröder, Geschäftsführer Bernd Kress und Manager Johnston. Sie wollten zu diesem späten Zeitpunkt in der Saison gerade noch den größten Imageschaden abwenden, "ein Zeichen für die Mannschaft, die immer weniger werdenden Fans und unsere Sponsoren setzen", wie Schröder sagte. Gemeinsam suchten sie einen Interimstrainer bis zum Saisonende, und von möglichen Kandidaten war schon reichlich gemunkelt worden: von Uli Egen, kürzlich bei den Eisbären Berlin entlassen und früher bei Eintracht Frankfurt aktiv, oder von dem bei den Revier Löwen Oberhausen geschaßten Peter Draisaitl. Selbst der Name des ewigen Notnagels Peter Obresa war im Umfeld gefallen. Der Sportdirektor des EC Bad Nauheim weilt derzeit aber zur Spielerbeobachtung in Nordamerika.
Zwar war es Bradley, der nach der fünften Niederlage der Frankfurt Lions in Folge gehen mußte. Doch das 2:4 gegen die Kölner Haie offenbarte abermals, daß es nicht unbedingt den richtigen Mann getroffen hatte. Die maßgeblich Verantwortlichen für die Mißerfolgsserie waren die vermeintlichen Stars der Mannschaft und jener Mann, der die Spielereinkäufe zu verantworten hat: Manager Bernie Johnston.
Im ersten Drittel der Partie gegen die Haie stand auf dem Eis das letzte kleine Häuflein der Spieltauglichen. Und siehe da: Es ging. Daß die notgedrungen aufgebotene Reihe mit Robert Francz, Christoph Sandner und Matthias Frenzel keine spielerischen Akzente setzen konnte, ist verständlich. Doch immerhin verstand es das rein deutsche Trio, den Gegner mit enormem Einsatz unter Druck zu setzen und ihm keine Torchancen zu ermöglichen. Das ist mehr, als man von den meisten Lions-Spielern in den vergangenen zwei Wochen sagen konnte. Überschreiben können hätte man die ersten dreißig Minuten mit einem Slogan: "Die Stars gehen, Johnny Walker kommt." Der wiedergenesene Kanadier kämpfte unermüdlich, spielte stark defensiv und glänzte als Torschütze des in Überzahl erzielten-Führungstreffers.
Das Powerplay dokumentierte am besten den Zustand bei den Lions. Ohne die Stars lief der Puck, man versuchte zu kombinieren. Und nach Walkers Treffer gelang auch noch ein zweites Überzahltor, diesmal durch Vadim Sliwtschenko. Danach war der Schwung vorüber. Nach dreißig Minuten kehrten Rick Girard und Alexander Seliwanow aufs Eis zurück. Der eine war in Gedanken wohl noch im Kreißsaal, in dem er während des ersten Drittels der Geburt seiner Tochter beiwohnte, der zweite war durch eine Angina stark geschwächt. Dafür mußten die gesunden und vorbildlich kämpfenden Förderlizenzspieler Franzel und Pascal Appel weichen. Und das Powerplay ? In gewohnter Formation fiel den als "Stars" verpflichteten Profis selbst bei zwei Spielern mehr auf dem Eis nichts mehr ein - außer der anscheinend einzigen einstudierten Variante, zurück zu Chris Snell zu passen, der von der blauen Linie schießt. Daß dies nicht vom Erfolg gekrönt wurde, überraschte kaum jemanden. Um so mehr die ungewohnte Disziplin. Keine Boxeinlagen, keine Raufereien, am Ende nur sechs Strafminuten. Wie es wohl weitergeht ?
Fehler im System - Kommentar von Marc Heinrich
Die Lage der Lions kann man nur ausgesprochen mißlich nennen. Mit Doug Bradley ist bei dem einstigen Topverein der Deutschen Eishockey Liga (DEL) wieder ein Trainer vorzeitig gescheitert. Der Frankfurter Klub reagierte damit nach Wochen des Zauderns auf den drohenden Abstieg in die Zweitklassigkeit, folgte den üblichen Mechanismen des Profisports und entließ das hilfloseste Glied einer schwachen Kette. Bradleys Fall war bereits der zweite Rauswurf bei dem Eishockeyklub in der laufenden Saison: War der Kanadier doch erst im vergangenen Herbst vom Assistenten zum Cheftrainer aufgestiegen, nachdem bereits sein Vorgesetzter und Vorgänger Blair MacDonald den Dienst quittieren mußte. Der wiederum hatte gerade neun Monate zuvor den glücklosen Peter Obresa abgelöst. Bleibt - entgegen allen öffentlichen Beteuerungen - bei den Frankfurt Lions also alles, wie es in der jüngsten Vergangenheit war ?
Eigentlich sollten in dieser Saison doch Frohsinn und Erfolg Einzug halten in der Halle am Ratsweg. Mit der Rückkehr von Bernie Johnston, hatten die Fans frohlockt, werde es wieder Spaß machen. Der Manager, von Kameraden "Bulldozer" genannt und als Freund markiger Sprüche bekannt, hatte nicht weniger als den souveränen Einzug in die Play-off-Runde versprochen. So was hörten auch die Sponsoren gerne, niemand widersprach. Anders als der zweite geschaßte Übungsleiter in dieser Runde mußte sich Johnston bislang weder für sein Tun noch seine großspurigen Ankündigungen verantworten. Daß er es war, der das bestens dotierte, hauptsächlich nordamerikanische Personal eingekauft hat, welches seit dem ersten Tag die Erwartungen kaum erfüllt, stimmte die Führung der Lions-Eishockey-GmbH nicht nachdenklich. Statt dessen durfte sich Johnston auch anstandslos in die Geschäfte des Trainers einmischen und so dessen Position schwächen. Wem zuletzt Mannschaftsbesprechungen zu Ohren gekommen waren, konnte hören, daß es nicht Bradley war, der das Wort geführt hat - seine Demontage war eine schleichende.
Womit eines der grundlegenden Probleme im Frankfurter Eishockey benannt wäre: die Schwäche Gerd Schröders. Dem Alleingesellschafter, der sich den Klub als Hobby hält, fehlt es an Kompetenz. Der millionenschwere Mäzen läßt sich von den Wünschen der Fans und Sponsoren, wenn nicht leiten, so doch beeinflussen. Immer in der Hoffnung, sein Geld garantiere Tore und Erfolge. Sein Verdienst, Mitte der neunziger Jahre in einem Kraftakt die Lions aus größten finanziellen Schwierigkeiten gerettet zu haben, ist unbestritten. Doch Schröder hat es bis heute versäumt, mit Hilfe von Fachleuten in seinem Umfeld Know-how zu entwickeln und gewinnbringende Kontakte in der DEL zu knüpfen.
Wenn die gegenwärtige Krise etwas Gutes hat, dann die Chance, sich endlich der Fehler der jüngeren Vergangenheit bewußt zu werden. Die Leidensfähigkeit der Basis ist mittlerweile erschöpft, ein Aufbruch zu Neuem zwingend geboten. Da die DEL von diesem Herbst an nur noch 13 Ausländerlizenzen zuläßt, verbietet sich eine Einkaufspolitik wie zuletzt, der künftige Mann an der Bande müßte vor allem ein gutes Händchen für deutsche Talente besitzen. Manager Johnston, sicher eine der entscheidenden Steller im System des Klubs, hätte sich auf eine dienende Funktion im Hintergrund zurückzuziehen. Würde sich Schröder dessen bewußt, wäre den Lions schon viel geholfen.
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