Prince George, der Name des Geburtsortes von Victor Gervais kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Richtig, auch Lions-Verteidiger Stewart Malgunas kommt aus der kleinen Stadt im kanadischen British-Columbia, und ebenso Cousin Rick Girard. Anscheinend so eine Art Bad Nauheim von Kanada, denn Prince George ist kaum größer. Dafür gibt es dort sechs ständige Eisflächen - so viele wie in ganz Hessen.
Deshalb versteht Victor Gervais auch die Frage nicht: „Wie ich zum Eishockey gekommen bin? Tja, also, wie soll ich sagen. Da denkt man gar nicht drüber nach, das passiert einfach automatisch.“
Logisch, der Fragesteller schlägt sich die flache Hand vor den Kopf, wir reden schließlich von Kanada, wo das Pro-Kopf-Aufkommen an Eishockeyspielern etwa so groß ist, wie in Deutschland der prozentuale Anteil von Menschen, die katholisch sind. Also ziemlich viel und irgendwie ist ja Eishockey auch eine Art Religion in Kanada.
Der kleine Victor, der im übrigen mit seinen jetzt 1,75 Meter auch nicht mehr so wahnsinnig gewachsen ist, ging also aufs Eis und da erst einmal ins Tor. „Das war fürchterlich. Ich hasse es, zu verlieren und als Torwart musst du die Dinger dann auch noch selbst wieder raus holen.“ Also erklärte er seinem Jugendtrainer am Ende des ersten Jahres, dass er nun lieber im Sturm spielen wolle, um auch mal Tore schießen zu können. So ging das damals los und die Winter in Kanada sind lang.
Bedauerlicherweise kann man zwar in Prince George ganz offensichtlich hervorragend das Eishockeyspielen lernen, doch um etwas zu werden, muss mann woanders hingehen. Auch das ist eine erstaunliche Parallele zu Bad Nauheim. Spätestens, als Victor Gervais 1990 von den Washington Capitals gedraftet wurde, wusste er, dass er es als Profi schaffen kann, aber auch, dass er seine Heimat verlassen muss. Dabei ist er eigentlich ein bodenständiger Mensch. Vier Jahre blieb er in der Organisation von Washington und dessen Satelliten-Klubs , ohne dort allerdings ein NHL-Spiel zu bestreiten, später in der von den Pittsburg Penguins.
Dort, während seiner Zeit in Cleveland in der IHL, lernte er auch Len Barrie kennen und schätzen. Der rief ihn dann auch 1998 an und meinte: „Victor, du musst unbedingt nach Germany, nach Frankfurt kommen. Da geht ’ne tolle Eishockeyparty ab.“ Die Berichte von lautstark singenden Fans nahm Victor Gervais zwar mit Skepsis auf, aber dann war auch er begeistert: „Das ist einfach phantastisch, vor solchen Fans zu spielen.“
Um so mehr schmerzt es ihn, dass sowohl die vergangene wie auch die aktuelle Saison alles andere als gut läuft. „Das ist total frustrierend, denn wir würden den Fans gerne besseres Eishockey bieten.“ In seinem vierten Jahr in Frankfurt ist er keiner dieser Söldnertypen, denen es egal ist, ob die Mannschaft verliert oder gewinnt. Es schmerzt ihn, dass es nicht so läuft, erst recht, wo er in seinen ersten beiden Jahren erlebt hat, wie toll auch Eishockey in Frankfurt sein kann.
Er und seine Frau Sheryl fühlen sich wohl in der Main-Metropole, mögen Land und Leute. Bodenständige Menschen eben. Deswegen hat er auch nicht wirklich Interesse, innerhalb Deutschlands zu wechseln. Aber er weiß natürlich auch, dass die mäßigen Leistungen des Teams auch Auswirkungen auf den Job haben können: „Wenn der Erfolg weg ist, ist auch schnell der Job weg“, sieht er klar. Wobei sich der kleine Kämpfer mit dem großen Herz noch am wenigsten Gedanken um seinen Platz im Team machen muss. Ihm kann man nun wirklich nicht vorwerfen, nicht immer alles zu geben.
Auch der Franko-Kanadier, der jedoch besser englisch als die französische Sprache seiner Eltern spricht, kann sich die Blockade des Teams nicht erklären: „Wir haben untereinander kein Problem, aber irgendwie macht es bei uns nicht ’klick’.“ Da hilft es auch nicht, dass er und sein Cousin Rick Girard zum ersten Mal in ihrem Leben zusammen in einem Team spielen. Beide hatten sich das alles ein bisschen anders vorgestellt.
Aber Victor Gervais ist keiner, der so schnell aufgibt, er stellt sich den Aufgaben. So wie nach seinem ersten Erlebnis auf deutschen Autobahnen, den für ihn gravierendsten Unterschied, den er zwischen dem Leben in Kanada und Deutschland festgestellt hat: „Als da plötzlich einer an mir mit 190 km/h vorbei schoss dachte ich: Was ist denn hier los?“ Aber er lernte schnell: „Da muss man selbst eben 200 fahren, dann hat man keine Probleme.“
Matthias Kittmann
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