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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Lions-Stammtisch
LIONS.fan Offline

Piratenkapitän


Beiträge: 2.865

03.07.2003 22:11
Ich bin der Typ, der Ihnen Scheisse verkauft Antworten


Es war einer jener Tage, an denen du dich wie im Urlaub fühlst. Entscheidende Rechnungen waren bezahlt, die Steuererklärung unterzeichnet, - und wider Erwarten hatte sogar der alte Kadett problemlos die rosa TÜV-Plakette bekommen. Die Hitze der letzten Tage war angenehm abgekühlt, während aufkommende flockige Wölklein einen erfrischenden Schauer versprachen. Die beste Gelegenheit für einen kleinen Ausflug in die sommerliche City. Also schwang ich mich auf mein ungefedertes Mountain-Bike und holperte durch Oberrad. Die Jungs am Kiosk frühstückten gerade, als ich an ihnen vorbei rollte (machmalnochnschoppe), die Straßenbahn rumpelte quietschend durch die Oxxenbacher Landstraße, doch unten am Main war Stille. Ab und zu trabte ein Jogger vorüber und manchmal glitt eine Taube ins Wasser.

Ich radelte gutgelaunt zu meiner Bank, warf eine letzte unbezahlte ebay Rechnung in den Briefkasten und hatte für heute nichts wirklich wichtiges zu tun. (Außer vielleicht fürs Alter vorzusorgen, oder mich vernünftig zu ernähren). Was lag also näher, als sich mal in Frankfurter Buchhandlungen nach Literatur über den diesjährigen Aufsteiger in die Fußball-Bundesliga, Eintracht Frankfurt, umzusehen?

Was mag es wohl interessantes geben in der Stadt der Buchmesse, dem Geburtsort Goethes, dem Alterssitz Schopenhauers; in der Stadt des deutschen Fußballmeisters von 1959, des deutschen Pokalsiegers 74/75/81/88 und des Uefa-Cup Champions von 1980? Des selbstverständlichen Gründungsmitgliedes der Fußball-Bundesliga? In der Stadt des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels?
In dieser Stadt wurde die Dialektik wieder erfunden und der Fußball 2000. Ich sage nur Fischer, Fauser, Suhrkamp, Adorno, Yeboah, Bein.
Wie führen die Frankfurter Andersen und Adorno, Grabowski und Goethe, Schlindwein und Schopenhauer, kurz Körbel und Kultur, zusammen?

Eine heitere Vorfreude bemächtigte sich meiner. Ich pfiff die Titelmelodie zu Bonanza, als ich mein Fahrrad an der Kleinmarkthalle an einer Lampe verkette (mach das erst mal nach, das pfeiffen, nicht das verketten!) und stiefelte schnurstracks in die dortige Buchhandlung. Der Verkäufer, würdigte mich keines Blickes, - vertieft in ein Buch, den Bleistift in der Hand saß er an der Kasse, während ich in meiner Eintracht-Sporthose durch den Laden schlenderte.

Mein Blick schweifte über die Auslagen. Bücher über Fluxus konnte ich erwerben und Joseph Conrads Falk. Demnächst ist Conrad mal fällig. Als ich schon fast wieder am Gehen war, entdeckte ich am Ausgang, direkt neben der Kasse, eine kleine Auswahl von Fußballbüchern. Na also, dachte ich und sah genauer hin. Es gab ein Bändchen über das Endspiel um die deutsche Fußball-Meisterschaft 1959. Prima.
Noch bevor ich es in der Hand hielt, stutzte ich. Wieso rot-weiß?

Ach du scheiße, das Büchlein war aus Sicht der Verlierer geschrieben. Nicht dass ich etwas gegen Verlierer hätte, im Gegenteil, ich bin mit der Musik von Tom Waits groß geworden, habe Bukowski verehrt und für die Revolution gekämpft. Aber ein Buch über das Endspiel 59 aus Sicht der Oxxenbacher in einem Frankfurter Buchladen, das ist keine Solidarität mit einem Underdog, das ist ein handfester Skandal. Von mir aus Bücher über St. Pauli, oder Fortuna Düsseldorf, natürlich inmitten Unmengen sachkundiger Literatur über die Eintracht. Aber nicht über Oxxenbach.

Es kam noch schlimmer:

Neben dem Bändchen grinsten mich frech zwei Erwin-Heftchen an.

Wo war ich? War ich unversehens in einen Alptraum hinein geraten? Schemenhaft erkannte ich einige Fratzen am Horizont, die mich auslachten. Verzerrte Stimmen murmelten unvorstellbar grausame Worte, es hörte sich in etwa an, wie: nuberhelmschrothfranuschkutzopkosteddeknecht.

ERWIN HEFTCHEN?

Super-Gau in Frankfurt, und keiner hat's gemerkt?

Ein Blick nach draußen bestätigte mir unzweifelhaft: Ich stehe wenige Meter vor der Frankfurter Kleinmarkthalle. Ich bin in Frankfurt am Main.

Der Laden sieht mich nie mehr wieder.

Innerlich aufgewühlt radelte ich zu Hugendubel, Frankfurts größter Buchhandlung - und musste feststellen, dass die "Sport-Abteilung" nicht mehr in einem der freundlichen Obergeschosse zu finden war, sondern nunmehr ihr finsteres Dasein im Tiefgeschoss fristete, - wenige Schritte vor der EDV-Fachliteratur. Es war ein Ort, den noch niemals eine Frau betreten hatte.

Immerhin gab es hier nichts, was auf die Präsenz des Pickels hinter Fechenheim und Oberrad schließen ließe. Ich hatte die Wahl zwischen "So wirst du Profi bei den Bayern" und einer Abhandlung über den ersten Effze Kaiserslautern. Außerdem gab es ein Bändchen mit dem Titel "101 Gründe, Fußball nicht zu mögen" oder so ähnlich. Mein Gott, ich könnte aus dem Stehgreif 2003 Gründe herunterbeten, weshalb man Fußball im Allgemeinen und die Eintracht im Besonderen als wesentlichen Lebensinhalt begreifen kann.

Sicher habe ich das Extra-Fach "Eintracht Frankfurt" übersehen. Ich ging die Reihen peu a peu durch, allein, es gab nichts über die Eintracht. Noch nicht einmal der unsäglich schlampige Rückblick auf die Saison 2001/02, "die Bruchlandung" von Klaus Veit, war hier käuflich zu erwerben. Dafür aber ein Abriss über die Fußball-Weltmeisterschaften 1930 - 2006.

Kinners, hab ich was verpasst? Die Zeit vergeht ja schneller, als ein vervögelter Sonntagnachmittag im Juni 93. Als ich losfuhr, schrieben wir den 1/7/2003, als ich in der Stadt ankam war die WM 2006 gelaufen. Wer ist Weltmeister? War Jones dabei? Hat das Stadion-Dach gehalten?

Nun denn, da ich weder Profi bei Bayern München werden wollte, und mich die deutsche Nationalmannschaft eher marginal interessiert, - solange kein Frankfurter dabei ist -, verließ ich den ungastlichen Ort und spazierte übellaunig an der Belletristik vorbei. Dort fiel mir ein Büchlein in die Hand, in dem ich die folgenden Zeilen fand:

"Ich heiße Octave und kaufe meine Klamotten bei APC. Ich bin Werber: ja, ein Weltverschmutzer. Ich bin der Typ, der Ihnen Scheiße verkauft. Der Sie von Sachen träumen lässt, die Sie nie haben werden." *

Das nahm ich dann. Obwohl man ja eigentlich Buchhandlungen boykottieren sollte, die in Frankfurt nichts über die Eintracht anbieten.
Als ich den Laden verließ huschte ich noch über die ausgelegten Bücher von Nick Hornby: "High Fidelity" und "About a boy" lagen da - aber kein "Fever Pitch".

Soweit ist's gekommen

(Quelle: eintrachtfans.de)



Adler auf der Brust!

Robert # 4 Offline

Center 5. Reihe


Beiträge: 9.775

03.07.2003 22:33
#2 RE:Ich bin der Typ, der Ihnen Scheisse verkauft Antworten

Kein Buch über die ruhmreiche Eintracht, das ist schon hart...

Aber das mit denen da aus der verbotenen Stadt, das würde ich in Frankfurt gesetzlich verbieten lassen...

Tschö, Robert



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