Zidane ohne Groll gegen Ex-Team
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Fast klingt ein wenig Wehmut durch, wenn Zinedine Zidane von der Rückkehr in seine alte Heimstätte nach Turin spricht. «Wenn ich das Stadio delle Alpi betrete, werden viele Erinnerungen wach», sagt der Franzose vor dem Champions-League-Spiel seines neuen Clubs Real Madrid bei seinem Ex-Verein Juventus.
«Mir kommen all die Szenen vor Augen, die ich hier erlebt habe. Da ist es schwer, sich auf das Spiel zu konzentrieren.» Zidane empfindet bei der Heimkehr ins Juve-Stadion keinerlei Groll gegen seinen Ex-Club. «Ich habe hier fünf tolle Jahre verbracht und hege kein Rachegefühl.» Er verteidigt in seiner neuen Wahlheimat sogar den italienischen Fußball gegen die - wie er findet - ungerechtfertigten Angriffe der Spanier, die in den Italienern stupide und herzlose Defensiv-Taktiker sehen. «Man muss die italienischen Teams respektieren. Sie spielen einen guten Fußball», beharrt Zidane.
Dabei scheint der 30-Jährige mit seiner filigranen Technik viel besser in den spanischen Fußball zu passen, wo das Publikum sich nicht mit ermauerten 1:0-Siegen begnügt, sondern auch gehobene Spielkunst verlangt. Vor knapp zwei Jahren war «Zizou» für die Rekordablöse von 78 Millionen Euro von Juve nach Madrid gewechselt. Damit wurde er zum teuersten Fußballer der Welt. Dies wird er auch noch einige Zeit bleiben. Bei der Flaute auf den Transfermärkten ist nicht zu erwarten, dass in der nächster Zeit ein Verein noch einmal eine solche Summe für einen Spieler ausgibt.
Aber niemand zweifelte damals daran, dass die Investition für Real sich auszahlen würde. Die US-Wirtschaftszeitschrift «Forbes» hatte bereits ermittelt, dass Zidane - gemessen an seinem Gehalt und an den Spielanteilen - der «rentabelste Fußballer» der Welt ist. Bei den «Königlichen» wurde er nach einem schwierigen Start zum Dirigenten im Mittelfeld. Vor genau einem Jahr schoss er für die «Königlichen» mit einem Supertor den 2:1-Siegtreffer im Finale der Champions League gegen Bayer Leverkusen. Für Zidane ging damit eine schwarze Serie zu Ende. Mit Juventus hatte er drei Mal in Folge in europäischen Endspielen verloren. Er war Welt- und Europameister gewesen, aber er hatte bis dahin nie den Europapokal gewonnen.
Der Sohn algerischer Einwanderer ist ein Star, aber er kennt keine Starallüren. «Als Torjäger tauge ich nicht, und in der Abwehr bin ich eine Katastrophe», räumt er seine Schwächen freimütig ein. «Mein Landsmann Patrick Vieira erkämpft sich in einem Spiel 100 Mal den Ball, ich nur zwei Mal.» Zidane begeistert die Fans vor allem mit seiner spielerischen Eleganz und seiner ausgefeilten Technik. «Wenn er angespielt wird, beginnt sich der Ball wohlzufühlen», schrieb einst der Züricher «Sport».
Dabei gehört der «große Verführer» («El País») zu jenem Typ von Fußballstar, der eigentlich schon als «ausgestorben» gilt. Er agiert als Spielmacher im Stil eines Michel Platini oder Günter Netzer, obwohl die Figur des Regisseurs im modernen Fußball längst keinen Platz mehr hat. «Er widersteht den Trends des modernen Fußballs, der nur noch Spezialisten und Malocher hervorbringt», meint Santiago Segurola, Sportchef der Zeitung «El País».
Zidane dirigiert bei Real das Spiel seiner Mannschaft, aber er gibt nicht das Kommando. Dafür ist er viel zu schüchtern und verschlossen. Er eignet sich weder zum Chef noch zum Entertainer. Für den Medienrummel hat er nichts übrig. In Interviews äußert er sich zurückhaltend und vorsichtig wie ein Diplomat.
Juves Facharbeiter fordern Reals Künstler
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Solide Facharbeiter-Truppe gegen launiges Künstler-Ensemble: Im Duell der Fußball-Welten wittert Juventus Turin gegen Titelverteidiger Real Madrid die Riesenchance zum Einzug ins Champions-League-Finale.
Denn trotz des 2:1-Hinspielsiegs und des sich überraschend abzeichnenden Ronaldo-Comebacks ist Real nach den Rückschlägen in der Primera Division verunsichert. Dagegen strotzt der frisch gebackene Meister aus Italien nur so vor Selbstvertrauen.
«Das Halbfinale wird eine Schlacht, aber wir fahren nach Manchester», kündigte Juves Abwehrrecke Paolo Montero den Spaniern einen «harten Kampf» an. Vielmehr «eine Fußball-Gala» wünschen sich hingegen Madrids Filigrantechniker um den Ex-Turiner Zinedine Zidane, die im Sturm nun wohl doch auf Superstar Ronaldo setzen können. «Ich glaube, dass ich spielen kann», machte der Weltmeister den Real-Fans nach überstandener Wadenzerrung neuen Mut.
Das Duell der «Königlichen» aus Madrid und der «Großen Alten Dame» aus Turin sehen die Italiener als Gipfeltreffen des europäischen Fußball-Adels an; als ein Duell der besten Einzelspieler gegen die beste Mannschaft. «Wir alle haben Schmetterlinge im Bauch», gestand «La Gazzetta dello Sport». Für «As» reist Real sogar in «höherer Mission» nach Turin: «Madrid muss die Wiedergeburt des hässlichen italienischen Catenaccio stoppen», giftete das spanische Sport-Blatt.
Unbeeindruckt setzt Juve-Trainer Marcello Lippi dennoch auf eine starke Abwehr - und auf Konter. «Lasst euch nicht hinreißen», warnte der Mann mit dem Zigarillo vor zu viel Offensive. Seit dem vorzeitig erkämpften 27. Meistertitel sind die Turiner Lippi zu enthusiastisch: «Wir haben keine Angst vor Real», brüstete sich sogar der sonst so zurückhaltende Mittelfeldmotor Pavel Nedved. Und Kapitän Alessandro del Piero träumt nach den Niederlagen gegen Borussia Dortmund (1997) und Real Madrid (1998) sowie dem Triumph 1996 gegen Ajax Amsterdam schon von seinem vierten Champions-League-Finale.
Bei so viel Siegessicherheit tritt Lippi auf die Bremse. «Wir dürfen kein Tor kassieren», mahnte Italiens erfolgreichster Coach der letzten zehn Jahre. Bei einem Gegentreffer müsste Juve immerhin drei Tore machen. Und so wacklig wird Reals Abwehr trotz Claude Makeleles Fehlen (Muskelfaserriss) wohl nicht sein. Dennoch macht die Defensive den Madrilenen Sorgen. «El Pais» will im offenbar doch nicht ganz so geheimen Geheimtraining von Vincente Del Bosque gar eine «Revolution» entdeckt haben: Real plane eine völlig neue Fünfer-Abwehrkette.
Juve setzt dagegen auf Altbewährtes: Ohne die gesperrten Ferrara und Iuliano baut Lippi auf seine Defensiv-Routiniers um die Zentral-Verteidiger Igor Tudor und Montero. «Auf die ist Verlass. Die spielen auch noch mit Krücken», meinte Lippi. Stürmen sollen wieder Del Piero und der Hinspiel-Torschütze David Trezeguet. Einen Überraschungs-Joker hat Turin, das nach der Tötung eines Juve-Fans bei den Meisterfeiern mit Trauerflor spielen wird, nicht in der Hinterhand.
Real dagegen kann pokern. Nach seiner Blinddarm-Operation kommt zunächst Raul zurück. «Er wird einen möglichen Ausfall von Ronaldo wettmachen», sagt Real-Generaldirektor Jorge Valdano. Noch vor zwei Tagen gaben die Ärzte Ronaldo keine Chance, nun reiste er mit. Ob Del Bosque den Brasilianer wirklich bringen wird oder nur Unruhe im Juve-Lager stiften will, bleibt bis zum Anpfiff sein Geheimnis. «Ich rechne mit Ronaldo», betonte Lippi. Die Fans samt Ehrengast Diego Maradona würden den Ex-Inter-Star gern sehen, sofern er das Gesetz der Serie nicht durchbricht. In seiner langen Europacup-Geschichte hat Juve bislang jedes Hinspiel-1:2 noch in einen Sieg umgewandelt.