Trainer erfreut, Fans frustriert: Torflaute in der Eishockey-Liga
Defensive Taktik lässt die DEL-Trefferquote sinken
Von Dino Reisner
Berlin - Die Anhänger des EHC Eisbären Berlin ließen ihrem Unmut am Sonntag auf ungewöhnliche Art und Weise freien Lauf. Statt ihre Mannschaft gegen Adler Mannheim anzufeuern, sangen sie Weihnachtslieder. "Ich kann es den Fans nicht verdenken. Wir treffen derzeit das Tor nicht und sind selbst auch ganz schön frustriert", erklärte Trainer Uli Egen nach dem blamablen 1:5 gegen den Meister. Nur ein Treffer gelang dem Tabellen-Neunten in den vergangenen beiden Heimspielen (zuvor 0:3 gegen den Ortsrivalen Capitals). Damit liegen die Eisbären voll im Trend der Deutschen Eishockey-Liga (DEL): Es fallen immer weniger Tore.
In der ersten Hälfte der Punkterunde waren es gerade 5,5 Treffer pro Partie. Zum Vergleich: In der Vorsaison fielen noch 5,98 Tore pro Spiel, in der Spielzeit 1999/2000 gar 6,3 (siehe Grafik). Mit nur 2,71 Toren pro Spiel sorgte die Eliteliga am vergangenen Dienstag für den Negativrekord. Laut Otto Sykora, Manager der Nürnberg Ice Tigers, ist die Terminhatz mit allein 60 Vorrunden-Spieltagen der Grund allen Übels. "Durch die hohen Belastungen fehlt den Profis Kraft und Konzentration. Sie sind zu einer ökonomischeren, das heißt defensiveren Spielweise gezwungen", sagt der ehemalige Nationalspieler der Tschechoslowakei.
Seit Wochen schon arbeiten die Profis im Akkord und müssen drei Mal wöchentlich aufs Eis: dienstags, freitags, sonntags. "Bei einer Zwei-Tore-Führung schalten fast alle Mannschaften einen Gang zurück, um Kräfte für das nächste Spiel zu sparen", hat Sykora festgestellt. Er erinnert sich wehmütig an vergangene Zeiten: "Früher haben wir munter weiter gestürmt und danach ein Kabinenfest gefeiert."
Besonders ärgerlich für die Fans: Die Trainer überbieten sich gegenseitig mit taktischen Schachzügen, die Teams verteidigen mit Vehemenz ihre Abwehrzone, so dass oft alle zehn Feldspieler im Mitteldrittel versammelt sind. Die Trainer erfreuen sich an der gut funktionierenden Defensive, auf den Rängen jedoch herrscht - wie am Sonntag bei den Eisbären in Berlin-Hohenschönhausen - gähnende Langeweile.
"Auf dem Eis geht es enger zu als früher. Also sind auch die Torchancen weniger geworden", sagt Marcus Kuhl, früher Stürmerstar und heute Manager bei Meister Mannheim. Als Ursache führt der 45-Jährige die zunehmende Professionalität in der DEL an. "Die Mannschaften sind ausgeglichener besetzt und taktisch besser geschult als früher", sagt Kuhl.
Um dem Trend entgegen zu wirken, hat der Weltverband IIHF vor knapp vier Jahren entschieden, das Mittellinienabseits abzuschaffen. Raumöffnende Pässe über 20 Meter oder mehr sollten für mehr Offensive und Torraumszenen sorgen. Doch der Plan scheiterte. Zwar stieg der Toreschnitt in der DEL zunächst um 0,3 auf 6,8 Treffer pro Partie, fiel im Jahr darauf aber wieder um 0,5. "Früher haben die Teams ihr Abwehrbollwerk an der Mittellinie aufgebaut, nun eben ein paar Meter weiter hinten", erklärt Peter-John Lee, ehemaliger Stürmer der Düsseldorfer EG, später Trainer und nun Manager der Eisbären Berlin.
Einen weiteren Aspekt für die Torflaute in der Liga führt Stefan Dittmann, Manager der Revier Löwen Oberhausen, an. "Die Torhüter sind besser denn je. Früher hat doch kaum jemand eine Ausländerstelle für einen Schlussmann geopfert, heute hat jeder Klub einen Topspieler zwischen den Pfosten." Dittmann glaubt nicht, dass die Liga an Attraktivität verloren hätte. "Die Unterhaltungswert ist nach wie vor sehr hoch."
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