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Dieses Thema hat 2 Antworten
und wurde 677 mal aufgerufen
 Frankfurt Lions
lion84 Offline

DEL-Ligenleiter

Beiträge: 362

26.07.2003 15:56
presse von heute 26.07.03 Thread geschlossen

Aus dem Magazin der Rundschau:

FAHREN SIE BLOß NICHT ...
... nach Mannheim

Niemand fährt freiwillig dorthin, es sei denn, er will nach München umsteigen. Eigentlich schade, wo es doch in Mannheim das Planquadrat gibt.

Von Jürgen Roth

Aaah, Mannheim! Mann-heim. Mein Gott, Mannheim. Es ist ja nicht auszuhalten, es ist ja furchtbar. Mann, dieses Mannheim. Keimzelle aller städtischen Häßlichkeit, Urgrund aller architektonischen Verfehlung, Urbild zivilisatorischer Schandtat schlechthin. Platonische Uridee der Wirklichkeit der Unwirtlichkeit unserer Städte. Mannheim? Fahr da bloß nicht hin!

Also fahr'n wir da mal hin und schau'n uns dieses berüchtigte Schachbrett an, dieses quadratkilometergroße Mahnmal für alles Leben verkastelnde und verknastende Planungswut. Das Planquadrat, das Zentrum Mannheims, der zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs und des Sitzes solch kulturförderlicher Institute wie des Nationaltheaters, des SV Waldhof Mannheim, des Instituts für Deutsche Sprache und der glitzernd neuen, nageldoofen Deutschen Popakademie - das Planquadrat, nach 1945 im Furor des Wiederaufbaus aus dem Boden gestampft, wurde ja eigentlich 1606 im Zuge der Stadtgründung durch Kurfürst Friedrich IV. von holländischen Baumeistern entworfen und ist aus nördlicher Richtung über die Friedrich-Ebert- und die Goethestraße zu erreichen.

Die ringförmig um das Quadrat (im folgenden: Q) geführten Straßen sind breit. Die Ampeln haben kurze Phasen. Man steht und schaut. Dann biegt man ab und fährt hinein ins Q, d. h. in ein Parkhaus. Am Rande des Qs gibt es zahllose derartige Errungenschaften der Zivilisation. Sie sind in der Regel auf dem neusten Stand (sog. Topmodelle).

Goethe, unser Lieblingsbesserwisser, fand Q "gleich und heiter" gebaut. Näheres über eines der 144 Quadrate des Qs, die erst 1811 die bis heute beibehaltene Nummerierung erhielten, hat er nicht hinterlassen. Das erschwert die Orientierung. Deshalb landen wir auch gleich nicht etwa in "L 12", sondern an den "Kapuzinerplanken", einer Art Achsenstraße, auf der Straßenbahnen verkehren.

Gegenüber erstrahlt gleichwohl und zum Glück ein Schild, auf dem "O 5" steht. Es ist befestigt an einem Haus, das "Mode im Quadrat" beherbergt. An der modischen Erscheinung der Menschen, die hier wandeln, ist nichts auszusetzen. Die Popakademie hat offenbar noch nicht viel ausrichten können in Mannheim, zumindest nicht im Q.

Aber irgend etwas stimmt nicht im Q. Q hat sich schön gemacht, extrem schön gemacht. Unsertwegen? Wird das alles, wenn wir Mannheim über die grauenhaften Vororte Lindenhof und Almenhof wieder verlassen werden, wieder abgebaut? "Husch, ihr Kulissen, zurück in den Fundus!"? Mit "A 1" am Lot der Schlossseite beginnt Q, es endet mit "U 6" am Ring. Die Nummerierung scheint keine Auswirkung auf die Psyche der Inhabitanten gehabt zu haben - noch zu haben. Man wird in einer Minute zweimal gegrüßt und bedankt sich. Sicher, manch Mannheimer trägt statt einer Mütze sowas wie einen Brotkorb auf dem Kopf, das ist Sitte hier, weil Mützenmangel herrscht. Doch die Sittsamkeit ist ausgeprägt, die Schönheit der Frauenbeine überbundesdurchschnittlich.

"Hier drin ist immer gute Stimmung", sagt der Betreiber einer italienischen Cafébar in "Q 2, 24", mitten im Q, im knusprigen Kerngehäuse der 1803 aufgelösten Kurpfalz und der demzufolge epochal gewordenen Residenzruhmstätte eines Kurfürsten Carl Philipp et al.

Qsei okay, sagt der Italiener, sonst sei Mannheim "eine langweilige Stadt". Wir glauben das und nicken entsprechend. Wir hocken am Tresen und sehen uns um. In dieser Q-Markthalle ist der besondere Clou die sympathische Parallelkulinarkultur aus Cappuccino, frischem Roggenbrot, spanischer Snackpointopulenz, privater Brauhauswerbung, Salzfelder Wurstspezialitäten und ethnisch indifferenten Balkanobstofferten. Die Gäste haben eine Ruhe, trinken und sehen zu, dass sie sich umschauen.

Draußen schweben hochhackige Damen mit Hüten und Mannheimer Working-class-not-so-Heroes mit Brotkörben auf den Köpfen vorbei. Die gängige Mütze wird im Q nicht sehr geschätzt. Man hat Stil, Extravaganz, ja eine "gewisse" Klasse. Deshalb kostet ein unifarbener Normalkopfstoffschutz im Kaufhaus bloß fremdenfreundliche vier Euro. Mützenmekka Mannheim.

Auf dem Kaufhof thront eine stählerne Weltkugel. Der Paradeplatz, der sich davor erstreckt, öffnet seinen Brunnen zur Begehung. Die luftige Agora begrenzt auf der gegenüberliegenden Seite das Stadthaus, Nr. "N 1".

Qkommt mental gut. Wenn man vor dem Stadthaus sitzt, im Rücken das indefinite Etwas aus Treppen, Stahlturm und Drehtüren, dann fällt einem schon gar nichts mehr ein. Das ist gut. Städte, in denen man ständig denken muß: "Mensch, Venedig, das ist aber eine Stadt!", die taugen nichts.

Im Stadthaus, das sich trotz seiner ahistorisch-stilistischen Egalheit geschmeidig zu älteren Q-Gebäudlichkeiten verhält und gesellt, finden wir eine VHS, Betten Easy Living und den Akademischen Büchermarkt, in dem günstig die vielfach begehrte Sprachtheorie zu erwerben ist.

Die Sprache verschlage es einem, fahre man nach Mannheim, sagt der Gemeinmund. Er weiß vielleicht nicht, was er spricht. Gut, "B 1" und "M1", sich gegenüberstehend, bieten a) einen Waschbetonbau und b) ein Haus namens Linoleum auf; aber doch sieht das Q grosso modo vernünftig aus. Kaum 200 Meter weiter ragt die prachtvolle Sandstein-Barock-Jesuitenkirche empor, in der, neben seinen höflichen Aufenthalten im Rittersaal des kurfürstlichen Schlosses, Mozart jenem Gotte lauschte, an den er aus Vernunftgründen nicht glaubte. Und im nächsten Straßenzug rechts weg, in "C 4", gammelt bürgerlich ernüchtert der übliche Klinker- und Verputzschmutz herum, der schon gar nicht mehr verärgert, sobald wir einen Blick auf das Zeughaus werfen, das auf einer Sichtachse dem Museum für Archäologie und Volkskunde opponiert, das sich seinerseits als kleine Ausgabe des Palasts der Republik präsentiert.

"Entschuldigung, wo haben Sie die Mütze gekauft?" fragt uns am Gendarmenmarkt ein Mannheimer Mädel, das so schön in Magdeburg niemals anzutreffen wäre. "In eurem Kaufhaus", sagen wir und scharwenzeln dem Wasserturm am Friedrichsplatz entgegen, um einen friedlich-frohgemuten Tag durch inneres Einkehren feierlich zu beschließen. Fahren Sie bloß nicht nach Mannheim. Sie könnten Ihre Vorurteile enttäuschen. Und aus denen bestehen Sie doch! Leider haben wir vergessen, in welchem Q-Quadranten das Auto steht.
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Alles über die Frankfurt Lions vom einzigen Webmaster:
http://www.lions-eishockey.de

leo Offline

NHL-Rookie


Beiträge: 557

26.07.2003 17:05
#2 RE:presse von heute 26.07.03 Thread geschlossen

ich war schneller
Guck ma in den Stammtisch

bigfoot49 Offline

Titel gesucht
Co-Admin

Beiträge: 11.081

26.07.2003 21:25
#3 RE:presse von heute 26.07.03 Thread geschlossen

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