Sehnsucht nach dem Aufstieg
Mainz 05 besiegt den VfB Lübeck nach 0:1-Rückstand noch 5:1 und klopft nun mit Leidenschaft ans Tor zur Bundesliga
Von Jürgen Heide (Mainz) (frankfurter-rundschau.de)
Erst nach der Pressekonferenz ließ Jürgen Klopp seinen Gefühlen ein wenig freien Lauf. Im Foyer unter der Haupttribüne klatschte der Mainzer Trainer erst Manager Christian Heidel ab, bevor er Präsident Harald Strutz umarmte.
Ein Stein schien der Mainzer Führungstroika nach dem 5:1 (2:1)-Erfolg über den VfR Lübeck gefallen zu sein, mit dem sich die Rheinhessen eindrucksvoll nach der 3:4-Niederlage in letzter Sekunde am vergangenen Montag in Ahlen im Aufstiegsrennen zurückmeldeten. "Vor zwei Wochen haben wir gejubelt, letzte Woche getrauert, heute wissen wir, dass wir wieder im Rennen sind", freute sich Klopp. Befragt zur Ausgangsposition seiner Mannschaft vor dem entscheidenden Spiel am Sonntag in Braunschweig übte sich der junge Coach in vornehmer Zurückhaltung: "Ich bin froh, dass wir wieder ein Endspiel erreicht haben. Es geht für alle sechs Mannschaften am Sonntag um sehr viel. Vielleicht steigt ja am Ende die Mannschaft mit der knappsten Niederlage auf."
Bevor die Gastgeber den klaren Erfolg sichergestellt hatten, mussten sie ein hartes Stück Arbeit verrichten, weil die Lübecker sich lange wehrten. Erst als Tamas Bodog in der 66. Minute mit einem Alleingang das 4:1 erzielt hatte, war die Partie entschieden. Bis dahin hatten die Gäste nicht nur die Zuschauer im ausverkauften Bruchwegstadion, sondern auch Klopp beeindruckt: "Bei einigen ihrer Ballstafetten ist sogar mir schwindlig geworden."
Schwindelgefühle plagten im ersten Durchgang wohl auch Robert Nikolic, der einen schwarzen Tag erwischt hatte. Nachdem Torwart Dino Wache in der 22. Minute einen Fehler des Rechtsverteidigers noch ausbügeln konnte, war er fünf Minuten später machtlos. Der Ex-Mainzer Marco Weißhaupt hatte Nikolic ausgetanzt, Christof Babatz wie beim Billard als Bande benutzt und den zurückprallenden Ball im FSV-Gehäuse untergebracht.
Nach der Lübecker Führung sei er kurz in ein Loch gefallen, "weil zu diesem Zeitpunkt Frankfurt bereits 2:0 und Fürth 1:0 geführt haben", gab Christian Heidel später zu. Dass der Mainzer Manager nur acht Minuten später jubeln konnte, verdankte der FSV auch der Mithilfe von Schiedsrichter Lutz Michael Fröhlich, der ein Foul des Lübecker Keepers Carsten Wehlmann Zentimeter vor der Strafraumgrenze am durchgebrochenen Thurk mit einem Elfmeter ahndete, den Woronin sicher verwandelte.
Kurz vor der Pause musste Torwart Wehlmann, der vor dem 1:1 Glück hatte, nicht die Rote Karte wegen seiner Notbremse zu sehen, zum zweiten Male hinter sich greifen, als ein 25-Meter-Freistoß des schussgewaltigen Babatz hinter ihm einschlug. Als Tamas Bodog in der 52. Minute nach einer Ecke das 3:1 erzielte, war die Vorentscheidung gefallen. "Die Mannschaft ist eindrucksvoll zurückgekommen", konnte Klopp zurecht feststellen. Die Gastgeber, die nicht über die Ergebnisse der Konkurrenz aus Frankfurt und Fürth informiert waren, setzten nun zu einem Sturmlauf an, bei dem Bodog und Marco Rose (90.) mit ihren Treffern noch etwas für das Mainzer Torverhältnis taten, während Daniel Bärwolf mit einem Foulelfmeter an Wache scheiterte (72.).
"Das Spiel in Braunschweig ist wie ein WM-Finale für Mainz", blickte der nach Köln wechselnde Woronin voraus, während Klopp versprach, "dass wir dort mit der gleichen Leidenschaft wie heute kämpfen werden." Können die Mainzer ihren Kampfgeist in Tore umsetzen, könnten die Erstligaträume der FSV-Fans, bei denen Präsident Strutz "eine unheimliche Sehnsucht nach dem Aufstieg" festgestellt hat, in Erfüllung gehen.
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"Wir sind oben, und da wollen wir auch bleiben"
Nach 2:0 in Oberhausen liegt Eintracht Frankfurt ein einziges Tor vor Mainz 05 / Fürth rutscht auf Rang fünf ab
Nun wird es zu einem Herzschlagfinale am letzten Spieltag in der Zweiten Bundesliga kommen. Eintracht Frankfurt hat sich mit einem 2:0 (2:0)-Sieg bei Rot-Weiß Oberhausen wieder auf einem Aufstiegsplatz vorgeschoben. Doch Mainz 05 bleibt den Frankfurtern nach dem 5:1 über den VfB Lübeck mit nur einem einzigen Tor Rückstand dicht auf den Fersen. Dagegen verlor die SpVgg Greuther Fürth durch das 2:2 gegen Wacker Burghausen an Boden.
Von Thomas Kilchenstein (Oberhausen)
"Jetzt hat sich die Lage gedreht", jubelte der Frankfurter Mittelfeldspieler Alexander Schur nach dem Schlusspfiff, "wir sind oben, und da wollen wir auch bleiben". Die Tore zum Erfolg der Eintracht in Oberhausen erzielte Dino Toppmöller in der zehnten und in der 18. Minute, das erste nach einer Ecke von Bürger per Kopf (10.), das zweite nach feinem Pass von Skela mit links (18.). "Ich habe die ganze Woche schon mit meinem Einsatz gerechnet", sagte Toppmöller hinterher, "ich war schon ein bisschen sauer, dass ich nicht öfter gespielt habe. Denn ich hätte der Mannschaft helfen können, wenn ich mehr zum Einsatz gekommen wäre."
Der Frankfurter Sieg war aufgrund einer sehr starken ersten Halbzeit verdient. Und er hätte durchaus auch noch höher ausfallen können, wenn man mit den Möglichkeiten nicht ganz so fahrlässig umgegangen wäre. In der zweiten Halbzeit verwaltete die Eintracht das Ergebnis nur noch. Dennoch hat sie nun alle Chancen auf den Aufstieg und es weiterhin in der eigenen Hand, mit einem hohen Sieg am nächsten Sonntag zur Hause gegen den SSV Reutlingen alles klar zu machen.
Es hätte für Eintracht Frankfurt in diesem Spiel mit vorentscheidendem Charakter nicht besser laufen können. Gut und gerne 5000 mitgereiste Fans hatten ihre reine Freude am Geschehen, das die Eintracht, zumindest im ersten Abschnitt, nach Belieben dominierte. Zeitweise sah es so aus, als spielten die Frankfurter wie im Training. Und es war gerade eine halbe Stunde gespielt, da brach im Frankfurter Zuschauer-Block erneut lauter Jubel aus: Da war die vorübergehende Lübecker Führung in Mainz bekannt geworden.
Der Schachzug von Trainer Willi Reimann, etwas überraschend Dino Toppmöller, einen offensiven Spieler, anstelle des defensiven David Montero zu bringen, erwies sich dabei als gelungen. Toppmöller, der wochenlang nicht lange mitspielen durfte, war sofort ins Team integriert, er brauchte keine Anlaufphase, und was er tat, hatte Hand und Fuß. Überragend agierte allerdings Ervin Skela, über den jeder Angriff der Frankfurter lief, der immer anspielbereit war und immens viele Impulse lieferte.
Im ersten Abschnitt wurde es für die Frankfurter, die mit Beifall in die Kabine verabschiedet wurden, nur ein einziges Mal gefährlich. Da nahm Abwehrspieler Pawel Wojtala einen zu kurz abgewehrten Kopfball von Bürger volley, doch Oka Nikolov boxte den Schuss aus dem Torwinkel. Ansonsten kontrollierten die Hessen die Partie nach Belieben, einzig Schur war anzumerken, unter welchem Nervenstress die Spieler in der Endphase der Meisterschaft stehen: Ihm gelang so gut wie nichts, er wirkte nervös und fahrig.
Im zweiten Abschnitt freilich verloren die Gäste etwas den Faden, sie wirkten auf einmal unkonzentriert und lässig. Dadurch machten sie die Oberhausener, nicht gerade überragend, wieder stark. Minutenlang kamen sie nicht mehr aus der eigenen Hälfte, Oka Nikolov musste öfter, als ihm lieb war, eingreifen. Und dann kam die 60. Minute, die vielleicht noch den Aufstieg kosten könnte: Schur hatte Toppmöller mit einem feinen Pass auf die Reise geschickt, er lief allein auf das Oberhausener Tor und passte dann, völlig richtig, zum mitgelaufenen Pawel Kryszalowicz. Und der Pole, gerade erst für den erschöpften Jones eingewechselt, schaffte das Kunststück, aus vielleicht vier, fünf Metern derart schwach aufs leere Tor zu schießen, dass Torhüter Adler den Ball noch s von der Linie kratzen konnte. Es wäre das 3:0 gewesen und die Entscheidung in diesem Spiel. Gerade in dieser spannenden Endphase kommt es auf jedes Tor an.
Danach gerieten die Hessen mehr und mehr unter Druck. Oberhausen war nun optisch überlegen, die Eintracht tat einfach zu wenig. Und wenn sich dann mal eine Chance zum Kontern bot, verschusselten sie die Möglichkeit, wie Albert Streit, oder später Uwe Bindewald, der nach einem resoluten Solo an Torhüter Adler scheiterte (78.). So mussten die Eintrachtler bis zum Ende um den Sieg zittern.
Im letzten Heimspiel der Saison verbesserte sich unterdessen Mainz 05 mit einem 5:1 (2:1) gegen den VfB Lübeck nicht nur das Punktekonto auf 59 Zähler, sondern auch die Tordifferenz auf nun 22 Treffer. Im mit 18 700 Zuschauern ausverkauften Bruchwegstadion sorgten Andrej Woronin (35.) per Foulelfmeter, Christof Babatz (45.), Tamas Bodog (52., 67.) und Marco Rose (90.) für die Tore. Für Lübeck traf Marco Weißhaupt (27.); Daniel Bärwolf (77.) scheiterte mit einem Foulstrafstoß an FSV-Torwart Dimo Wache. Mainz muss nächste Woche in Braunschweig antreten.
Ein Gegentor in Überzahl hat die SpVgg Greuther Fürth vermutlich den heiß ersehnten Aufstieg ins Oberhaus gekostet. Die Franken fielen vom dritten auf den fünften Tabellenplatz zurück. Beim Saisonfinale in einer Woche in Karlsruhe können die Fürther angesichts von zwei Punkten Rückstand nur noch auf ein Wunder hoffen.
So kommt es, dass Eintracht-Trainer Willi Reimann nun ganz zu Recht findet, seine Mannschaft habe nun mehr eine "hervorragende Ausgangsposition."
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Ultras Panama