Zum Jubiläum ein Extra-Thread
Hier nochmal der Bericht aus der Rundschau dazu:
Neue Kniegelenke für den Feind von einst
Kanadas Eishockeycracks feiern den Sieg über die Sowjets vor 30 Jahren und denken an Hilfe für einen ehemaligen Gegner
Von Gerd Braune (Ottawa)
Auch die Goldmedaillen der beiden kanadischen Eishockeyteams bei den Olympischen Spielen von Salt Lake City in diesem Jahr können nichts daran ändern: Das größte Ereignis des kanadischen Hockeys liegt 30 Jahre zurück. Am 28. September 1972 gewann Kanada in Moskau das entscheidende achte Spiel der berühmten "Summit Series" gegen die Sowjetunion. Paul Hendersons Tor 34 Sekunden vor Spielende entschied das Kräftemessen mit den sowjetischen Staatsamateuren zugunsten der NHL-Profis.
Es waren "die Tage, an denen Kanada still stand", wie es in Rückblicken heißt. Der Schrei des Fernsehkommentators: "Henderson has scored for Canada" hat sich in das kollektive Gedächtnis des Landes eingegraben. So wie in Deutschland Herbert Zimmermanns "Aus, Aus, Aus, Aus, das Spiel ist aus" beim Finale der Fußball-WM 1954. Millionen Kanadier werden am Wochenende daran denken, wie sie jenen 28. September 1972 erlebten.
Rund 30 der 35 Spieler - zwei sind mittlerweile verstorben - werden am Samstag zu einem Festessen in Mississauga bei Toronto erwartet und Erinnerungsringe erhalten im Wert von jeweils 5000 Dollar. Zusammen mit Fans, die bereit sind, umgerechnet 250 Euro für das Menü zu bezahlen, werden sie in Erinnerungen schwelgen.
Nur aus Kanadas Selbstverständnis als Mutterland des Eishockey lässt sich die Bedeutung der Spielserie erfassen. Die Sowjetunion dominierte damals Weltmeisterschaften und olympische Eishockeyturniere. Kanada fühlte sich benachteiligt, weil es keine Profis, sondern nur Amateure zu den Wettbewerben schicken durfte. Die Gipfelserie - vier Spiele in Kanada, dann vier in Moskau - sollte zeigen, dass nur in Kanada wirklich Spitzenhockey gespielt wird. Aber es war mehr als ein Sportereignis. "Es war ,wir gegen sie', die freie Welt gegen den Kommunismus, das Gute gegen das Böse", gibt die Zeitung Globe and Mail die damalige Stimmung wider.
Die Kanadier hatten einen Spaziergang erwartet. Aber am 2. September begann die Serie mit einer schockierenden 3:7-Niederlage in Montreal. Spieler wie Waleri Charlamow, Wladimir Petrow, Boris Michailow und Alexander Maltsew demonstrierten Eishockey in Perfektion und ließen die Kanadier alt aussehen. Tony und Phil Esposito, Ken Dryden, Ron Ellis, Yvan Cournoyer, Bobby Clarke und Henderson hatten Mühe zu begreifen, was mit ihnen geschah. Der 20-jährige Wladislaw Tretjak im Tor brachte die Kanadier zur Verzweiflung. Nach dem fünften Spiel, dem ersten in Moskau, standen drei Siegen der Sowjetunion nur ein Erfolg Kanadas und ein Unentschieden gegenüber. Aber die Kanadier fanden die Kraft sich aufzubäumen, gewannen die Spiele sechs und sieben und schließlich in Anwesenheit von KP-Chef Leonid Breschnew den Thriller am 28. September mit 6:5.
Die Spielserie ist Legende. Einige der Akteure von 1972 sitzen in verantwortlichen Positionen im Profi-Hockey. Dryden ist Präsident der Toronto Maple Leafs, Clarke Manager der Philadelphia Flyers. Frank Mahovlich wurde von Premierminister Jean Chrétien in den Senat berufen. Der Erfolg von damals bringt noch immer Geld ein. Ein Spielerkomitee verwaltet die Einnahmen aus den Marketing-Unternehmen. Was da so an Summen zusammenkommt, ist nach Aussage von Kerry Goulet von Ficel Marketing in Toronto angesichts der Vielfalt der Produkte kaum zu schätzen. Der 30. Jahrestag dürfte wieder einen Boom bringen.
Erstmals kommen die Fernsehübertragungen vom September 1972 in voller Länge als DVD und Videokassetten auf den Markt. Der Reingewinn aus der Wochenend-Veranstaltung soll in die Prostata-Krebsforschung fließen.
Vielleicht werden einige tausend Dollar für Jewgeni Mischakow abgezweigt. Mischakow, Mitglied des sowjetischen Teams 1972, lebt mit seiner Frau in einer kleinen Zweizimmer-Wohnung in Moskau. Er leidet unter Arthritis und kann sich nur mühevoll mit einem Stock bewegen.
Wie einige seiner Kollegen bezieht er nur eine bescheidene Pension. Ein Auto, das ihm besser gestellte Mitspieler im vergangenen Jahr zum 60. Geburtstag geschenkt hatten, wurde gestohlen. Eine lukrative Karriere in Nordamerika war ihm verwehrt. "Hätte ich in der NHL gespielt, würde ich heute am Swimmingpool sitzen und dicke Zigarren rauchen", sagt Mischakow. Geld für eine Knieoperation hat er nicht.
Jewgeni Mischakow kann jetzt hoffen. Ein Chirurg in Calgary will den russischen Spieler kostenlos operieren und wenn nötig zwei neue Kniegelenke einzusetzen. Seine Bedingung: Dass andere die Kosten für Krankenhausaufenthalt und Transport, etwa 15 000 Dollar, aufbringen. Das klinge, als ob es machbar sei, meint Ron Ellis, Mitglied des Spielerkomitees. Er will das Thema im Kreis seiner früheren Mitspieler zur Sprache bringen.
Bevor es aber so weit ist, muss erst ein "Familienstreit" beigelegt werden. Henderson hatte es gewagt, 30 Jahre nach dem historischen Ereignis einen gezielten Stockschlag seines Teamkollegen Clarke gegen den Knöchel Charlamows im sechsten Spiel als "Tiefpunkt der Serie" zu kritisieren. Charlamow musste ein Spiel aussetzen. "Ungehörig" sei es, nach so vielen Jahren einen Teamkameraden anzugreifen, giftete Clarke.
Eine Gelegenheit, Charlamow zu treffen, hatte Clarke nach der "Summit Series" nicht. 1981 wurde der begnadete russische Spieler bei einem Verkehrsunfall getötet.
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Und hier der Link zur
der Seite:
http://www.1972summitseries.com/
Da gibts auch das Video mit Hendersons Tor und "Henderson has scored for canada"
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"Die ganze Abwehr hat gegrunzt..."