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 Frankfurt Lions
Kallewirsch Offline

Nationalspieler


Beiträge: 428

13.04.2002 11:38
Presse 13.04.02 Antworten
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Einst "als schlechtester Trainer Europas" verspottet, sucht Lance Nethery heute sein Glück als Handlungsreisender in Sachen Eishockey

Ein kühler Rechner mit der Attitüde eines Intellektuellen

FRANKFURT. Als studierter Wirtschaftswissenschaftler ist Lance Nethery ein gewiefter Geschäftsmann und ein kühler Rechner. Diese Eigenschaften kommen dem Eishockeytrainer zugute, wenn er den Klub wechselt und dabei - wie zuletzt bei seinem Wechsel von Köln nach Frankfurt - mögliche Ansprüche gegen den früheren Arbeitgeber und das Angebot des neuen auf den größten gemeinsamen Nenner bringt (siehe F.A.Z. vom 12. April). Nethery hat sich Zeit gelassen, nachdem er in Köln entlassen worden war. Noch im März hatte er Gerüchte über einen Wechsel zu den Lions mit dem Hinweis dementiert, er könne gar nicht wechseln, weil das ursprünglich bis 2005 datierte Arbeitsverhältnis mit dem rheinischen Spitzenklub noch bestehe und "eine Vereinbarung über die Abfindungsmodalitäten" noch nicht getroffen sei. Es mag eine Weile gedauert haben, doch Nethery hat einen (Rechen-)Weg gefunden. Von den Lösungen dieses Handlungsreisenden in Sachen Eishockey versprechen sich nun die Frankfurt Lions einen deutlich verbesserten Qualitätsstandard ihres "Produkts".
Als solches begreift der in Toronto geborene Kanadier die Sportart, mit der er nach eigenen Worten "geboren, aufgewachsen und groß geworden" ist. "Eishockey ist ein Geschäft, ein Unterhaltungsprodukt, wir sind Entertainment-Business." Seinen Ruf als exzellenter Unterhaltungschef, hat Nethery während seiner fünfjährigen Dienstzeit bei den Mannheimer Adlern begründet. Dort stellte er in den ersten beiden Jahren eine junge Mannschaft zusammen und führte sie anschließend dreimal nacheinander zum Gewinn der deutschen Meisterschaft, zuletzt 1999. Niemand konnte sich mehr vorstellen, daß die Schweizer Fachpresse den einstigen NHL-Profi nach seinem Scheitern in Davos und Bern einst als "schlechtesten Trainer Europas" verspottet hatte. Die Mannheimer Aufbauarbeit brachte Nethery nicht nur Ruhm und Ehre ein; ihr Modellcharakter weckte auch das Interesse der sportlich ausgehungerten Kölner Haie. Als Nethery die Kurpfalz Richtung Rheinland verließ, nahm er an, zur richtigen Zeit von einem richtigen Ort zum anderen zu wechseln. Im Leben komme es auf das "richtige Timimg" an, sagte Nethery. Er wolle "mit einem guten Ruf gehen". Es ist ihm gelungen - in Köln hat dieser Ruf allerdings gelitten, jedes Jahr ein wenig mehr, bis der 44 Jahre alte Eishockey-Lehrer im Januar dieses Jahres entlassen wurde, weil die Kölner Führung die Teilnahme an den Play-offs gefährdet sah.
In seiner ersten Saison bei den Haien hatte Nethery im Finale gegen München die Meisterschaft verpaßt, in der zweiten Spielzeit zog er sich aus Enttäuschung und um der Familie willen auf den Posten des Managers zurück. Während er das Tagesgeschäft seinem Freund Bob Leslie überließ, erledigte Nethery seine Arbeit überwiegend von Atlanta aus, wo seine Frau Elisabeth und seine Tochter Meredith lebten. Der Plan, mittels Ferndiagnose zum Erfolg zu kommen, schlug fehl. Da Leslie sich als Statthalter überfordert zeigte, kehrte Nethery aus den Vereinigten Staaten zurück, entließ den freundlichen Übungsleiter und widmete sich seinem "Produkt" fortan in einer Doppelrolle: als Trainer und als Manager. Der großen Machtfülle stand allerdings ein immenser Erfolgsdruck gegenüber. Nethery sind im Laufe der Jahre viele junge Leute begegnet, denen es, wie er sagt, an der nötigen "Zielstrebigkeit" fehlt. " Sie machen Millionen, ohne etwas zu beweisen." Er versucht, solchen Mängeln mit Fitneßprogrammen und einer Art der straffen Menschenführung beizukommen. Der Kanadier mit den feinen Gesichtszügen und der Attitüde eines Intellektuellen gilt als hart in der Sache und nicht immer sanft im Ton. Nethery redet Klartext, auch auf deutsch. "Du mußt hart, nett und manchmal auch lieb sein", sagt er.
Aber er behandelt sein Personal nicht immer so nett, wie sein höfliches Auftreten vermuten ließe. Nachdem er seinen Vorgänger entlassen hatte, sagte er den Kölner Spielern, sie hätten "nicht häufig die Gelegenheit, unter so einem charakterlich einwandfreien Trainer wie Leslie zu arbeiten". Den Unterschied bekam sogar das Kölner Torwartidol Joseph Heiß zu spüren, als Nethery ihm in der vergangenen Saison Sonderurlaub wegen einer dringenden Familienangelegenheit verweigerte. Bevor der Trainer im Januar gehen mußte, fragten die Fans nach einer Serie von Heimniederlagen: " Und du willst unser Trainer sein?" In ihren Herzen war er es schon lange nicht mehr, vielleicht war er es nie richtig gewesen. Am Ende fühlte Nethery sich als Opfer der lokalen Presse, die auf dem Boulevard wenig zimperlich mit den Haien umgeht. Das "Timimg" jedenfalls hat bei seinem Abgang nicht gestimmt. Er wolle immer "aus eigener Entscheidung gehen und nicht auf Druck anderer", hatte Nethery gesagt, als er einen Tag nach dem Gewinn des dritten Meistertitels seinen Wechsel von Mannheim nach Köln bekanntgab. Insofern ist seine Entscheidung für die Lions bemerkenswert. Bei diesem Klub hat seit sechs Jahren kein Trainer mehr seinen Vertrag erfüllen dürfen. Ob Netherys Timing diesmal stimmt? RICHARD LEIPOLD

Gruß vom Kallewirsch

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